Und da ist es endlich: „A Chord
Too Far“ – die neue umfassende Werkschau des Genesis-Keyboarders Tony Banks.
Der Titel des Albums ist ein Seitenhieb auf sich selbst, seine Pop-Songs waren
immer ein Stück weit zu kompliziert um als Hit erfolgreich zu sein. Tony hat es
immer geliebt seine vielen Akkordwechsel unterzubringen und mit Harmonien zu
spielen, leider war dies auch der Hauptgrund, warum seine Solokarriere nicht
dem Erfolg seiner Bandkollegen entsprach.
Die ganze „Anthologie“ ist
wunderbar gestaltet und enthält ein sehr schönes Booklet. Erwähnen sollte man
auch das köstliche und zum Titel passende Albumcover von Fred Othon Aristidès,
einem französischen Comiczeichner. Das Booklet ist schön gestaltet. Darin
beschreibt Tony Banks jedes einzelne seiner Soloalben, chronologisch
angeordnet, sodass man quasi die Informationen „aus erster Hand“ erhält. Großartig
neue Informationen findet der eingefleischte Fan dort vielleicht nicht, dafür
gibt es aber sehr viele Fotos, von denen zumindest ich noch nicht alle kannte. Das
Set bietet fast vier Stunden Musik auf vier CDs – ich selbst hab schon tagelang
nur noch seine Musik gehört und entdecke dadurch auch viele schon vergessene
Songs wieder. Die Verarbeitung der Box selbst ist ganz ordentlich, nur bei den
CDs hab ich manchmal Sorgen und Probleme diese ordentlich aus der Halterung
herauszulösen oder wieder hineinzulegen. Wenn ich da an Pink Floyd’s
P.U.L.S.E-DVD denke, wo ich jedes Mal Angst hatte, dass mir die Scheiben
zerbrechen, wird mir ganz schwarz. Gottseidank geht es bei diesem Set aber
leichter.
Über die Songauswahl lässt sich
sicher streiten, so hätte ich zum Beispiel noch „Somebody Else's Dream“,
„Charm“ und „Don't Turn Your Back on Me“ mit reingenommen und vielleicht den
einen oder anderen Song weggelassen, ist aber eigentlich doch ganz gut
gelungen. Letztendlich ist es ja Geschmackssache und Tony Banks höchstpersönlich
hat ja die Songs ausgewählt. An die eigentümliche Reihenfolge musste ich mich
auch erst einmal gewöhnen. Ich hatte mir seinerzeit selbst ein „Tony Banks - Best
of“ gebastelt (nur 2 CDs) und dort die Songs nach den jeweiligen Alben
genordet. Die neue Aufteilung führt aber unweigerlich, dass man die einzelnen
Songs genauer betrachtet. Selbst der eingefleischte Fan kann somit wohlmöglich
das eine oder andere neue Detail erkennen. Die vier CDs repräsentieren ja auch
die doch recht große Bandbreite seines Soloschaffens.
Schon der Anfang der ersten CD
klingt fantastisch: „Rebirth“ wirkt endlich druckvoller, sauberer und
strahlender als jemals zuvor. Völlig unerwartet folgt darauf sofort „At the
Edge of Night“ – einer meiner Lieblingsongs von „The Fugitive“. Auch dieser
Song klingt deutlich besser als das Original. Allgemein lässt sich sagen, dass
die Stücke von „The Fugitive“, „Bankstatement“ und „Soundtracks“ alle n weitaus
besserklinge, einfach knackiger und frischer. Besonders bei den „Fugitive-Songs“
hat sich die Auffrisch-Kur doch sehr gelohnt. Da ich für den Fanclub seinerzeit
eine Rezension über dieses Album verfasst habe, kannte ich diese Songs natürlich
in und auswendig und hab sofort lauthals mitgesungen (die armen Nachbarn). Ich
hab mich dann sehr gefreut, als ich „At the Edge of Night“; „Thirty Three's“
oder „This Love“ in dieser neuen Version gehört habe. Alles klingt viel
kraftvoller. Aber auch eines meiner absoluten TB-Lieblingslieder schlechthin –
„Lion of Symmetry“ – hat von dem Remixen sehr profitiert. Angehört und sofort
war dieser Gänsehautmoment im Mittelteil wieder da. Für alle die diesen tollen
Song mit Toyah (der Frau von Robert Fripp) noch nicht kennen sollten – sofort
anhören! Jetzt jedes einzelne Lied hier durchzusprechen würde sicher den Rahmen
sprengen, aber besonders erwähnenswert sind auch „The Border“, „Redwing“ (beide
CD 2), sowie „Queen of Darkness“ von der dritten CD. Diese klingen endlich so
wie ich haben möchte: kristallklar und druckvoll. Es ist fast so, als ob man
eine Decke vor den Lautsprechern weggenommen hätte.
Ansonsten beinhaltet das Set alle
„wichtigen“ Songs, die Tonys Soloschaffen so bietet: „An Island in the Darkness“,
„Another Murder of a Day“, „After the Lie“, „You“, „Red Day on Blue Street“, „The
Final Curtain“, „Lion of Symmetry“ sowie „The Border“. Die ersten zwei CDs
repräsentieren den etwas komplexeren Anteil seines Soloschaffens, während die
dritte CD mit Ausnahme von „You“ (eines seiner besten Songs, wohl auch der
Beste seines ersten Soloalbums „A Curious Feeling“) seine Popsongs beinhaltet. Da
Tony Banks im Laufe seiner Solokarriere mit einer beachtlichen Menge an
Musikern zusammengearbeitet hat, finden sich im Rahmen dieser Werkschau die
verschiedensten Sänger und Musiker. Bekannte Größen wie z.B. Nik Kershaw, Pino
Palladino, Fish oder Toyah Willcox finden sich auf den Songs wieder. Dabei sind
aber auch bekannte Gesichter wie Daryl Stuermer und Chester Thompson. Auf
seinem Debüt sang der schottische Sänger Kim Beacon, beim darauffolgenden Album
„The Fugitive“ entschied sich Banks dafür, seine Songs selbst einzusingen.
Danach folgten Projekte mit verschiedenen Gastsängern („Bankstatement“ und
„Still“), währen er bei seinem letzten Rockalbum, „Strictly Inc.“ von 1995
wieder wie bei seinem ersten Album auf einen Sänger setzte. Großartig sind die
von Fish und Nik Kershaw gesungen Songs, aber auch seine eigene Stimme ist
durchaus akzeptabel.
Die letzte CD beherbergt
ausschließlich instrumentale Musik, unter anderem auch Stücke von seinem ersten
eigen Filmmusikprojekt „The Wicket Lady“. Besonders interessant sind für mich
die Demos sowie das unveröffentlichte „Poppet“ aus den „Still-Sessions“. Man
kann auch gut nachvollziehen, wie „Spring Tide“ – eines meiner
Lieblingskompostionen seiner klassischen Werke – entstand.
„A Chord Too Far“ ist der
Startschuss zu einer großangelegten Wiederveröffentlichungs-Kampange von
Esoteric Records. Das zu Cherry Red Records dazugehörige Label veröffentlicht
viele Alben der Progressive Rock-Szene (unter anderem auch „Squackett mit Steve
Hackett und dem inzwischen verstorbenen Chris Squire). Alle seine Studioalben sollen
neu aufgelegt werden, remixt und zudem auch in einer 5.1-Version erscheinen.
Die ersten Alben die erscheinen werden, sind „A Curious Feeling“, welches
bereits 2009 in einer remixten Fassung erschien, und „The Fugitve“. Durch die
im Rahmen dieser Anthologie beinhalteten Songs seines zweiten Albums wird man quasi
schon „heiß“ auf das Erscheinen der neuen Fassung gemacht. Ich kann es selbst
kaum erwarten.
A Chord Too Far“ ist eine
wunderbare Gelegenheit das Soloschaffen von Tony Banks, für alle es noch nicht
kannten, zu entdecken. Vielleicht findet der eine oder andere ja durchaus
Gefallen an seine Kompositionen und wird neugierig auf seine anderen Alben. Und
für die Fans, welche Tonys Solowerke kennen und auch lieben, macht man mit
dieser Werkschau eine wahre Freude. Die remixten Songs, Demos und unveröffentlichten
Songs sind schon alleine Grund genug für den Erwerb dieses Sets. Ich bin mit
dieser Werkschau sehr zufrieden und verbrachte schon einige wunderschöne
Stunden mit seiner Musik.
13 von 15 Punkten für diese
Anthologie.