Sonntag, 16. August 2015

Tony Banks - A Chord Too Far (4CD-Box, VÖ: Juli 2015)

Und da ist es endlich: „A Chord Too Far“ – die neue umfassende Werkschau des Genesis-Keyboarders Tony Banks. Der Titel des Albums ist ein Seitenhieb auf sich selbst, seine Pop-Songs waren immer ein Stück weit zu kompliziert um als Hit erfolgreich zu sein. Tony hat es immer geliebt seine vielen Akkordwechsel unterzubringen und mit Harmonien zu spielen, leider war dies auch der Hauptgrund, warum seine Solokarriere nicht dem Erfolg seiner Bandkollegen entsprach. 

Die ganze „Anthologie“ ist wunderbar gestaltet und enthält ein sehr schönes Booklet. Erwähnen sollte man auch das köstliche und zum Titel passende Albumcover von Fred Othon Aristidès, einem französischen Comiczeichner. Das Booklet ist schön gestaltet. Darin beschreibt Tony Banks jedes einzelne seiner Soloalben, chronologisch angeordnet, sodass man quasi die Informationen „aus erster Hand“ erhält. Großartig neue Informationen findet der eingefleischte Fan dort vielleicht nicht, dafür gibt es aber sehr viele Fotos, von denen zumindest ich noch nicht alle kannte. Das Set bietet fast vier Stunden Musik auf vier CDs – ich selbst hab schon tagelang nur noch seine Musik gehört und entdecke dadurch auch viele schon vergessene Songs wieder. Die Verarbeitung der Box selbst ist ganz ordentlich, nur bei den CDs hab ich manchmal Sorgen und Probleme diese ordentlich aus der Halterung herauszulösen oder wieder hineinzulegen. Wenn ich da an Pink Floyd’s P.U.L.S.E-DVD denke, wo ich jedes Mal Angst hatte, dass mir die Scheiben zerbrechen, wird mir ganz schwarz. Gottseidank geht es bei diesem Set aber leichter.

Über die Songauswahl lässt sich sicher streiten, so hätte ich zum Beispiel noch „Somebody Else's Dream“, „Charm“ und „Don't Turn Your Back on Me“ mit reingenommen und vielleicht den einen oder anderen Song weggelassen, ist aber eigentlich doch ganz gut gelungen. Letztendlich ist es ja Geschmackssache und Tony Banks höchstpersönlich hat ja die Songs ausgewählt. An die eigentümliche Reihenfolge musste ich mich auch erst einmal gewöhnen. Ich hatte mir seinerzeit selbst ein „Tony Banks - Best of“ gebastelt (nur 2 CDs) und dort die Songs nach den jeweiligen Alben genordet. Die neue Aufteilung führt aber unweigerlich, dass man die einzelnen Songs genauer betrachtet. Selbst der eingefleischte Fan kann somit wohlmöglich das eine oder andere neue Detail erkennen. Die vier CDs repräsentieren ja auch die doch recht große Bandbreite seines Soloschaffens.

Schon der Anfang der ersten CD klingt fantastisch: „Rebirth“ wirkt endlich druckvoller, sauberer und strahlender als jemals zuvor. Völlig unerwartet folgt darauf sofort „At the Edge of Night“ – einer meiner Lieblingsongs von „The Fugitive“. Auch dieser Song klingt deutlich besser als das Original. Allgemein lässt sich sagen, dass die Stücke von „The Fugitive“, „Bankstatement“ und „Soundtracks“ alle n weitaus besserklinge, einfach knackiger und frischer. Besonders bei den „Fugitive-Songs“ hat sich die Auffrisch-Kur doch sehr gelohnt. Da ich für den Fanclub seinerzeit eine Rezension über dieses Album verfasst habe, kannte ich diese Songs natürlich in und auswendig und hab sofort lauthals mitgesungen (die armen Nachbarn). Ich hab mich dann sehr gefreut, als ich „At the Edge of Night“; „Thirty Three's“ oder „This Love“ in dieser neuen Version gehört habe. Alles klingt viel kraftvoller. Aber auch eines meiner absoluten TB-Lieblingslieder schlechthin – „Lion of Symmetry“ – hat von dem Remixen sehr profitiert. Angehört und sofort war dieser Gänsehautmoment im Mittelteil wieder da. Für alle die diesen tollen Song mit Toyah (der Frau von Robert Fripp) noch nicht kennen sollten – sofort anhören! Jetzt jedes einzelne Lied hier durchzusprechen würde sicher den Rahmen sprengen, aber besonders erwähnenswert sind auch „The Border“, „Redwing“ (beide CD 2), sowie „Queen of Darkness“ von der dritten CD. Diese klingen endlich so wie ich haben möchte: kristallklar und druckvoll. Es ist fast so, als ob man eine Decke vor den Lautsprechern weggenommen hätte.
Ansonsten beinhaltet das Set alle „wichtigen“ Songs, die Tonys Soloschaffen so bietet: „An Island in the Darkness“, „Another Murder of a Day“, „After the Lie“, „You“, „Red Day on Blue Street“, „The Final Curtain“, „Lion of Symmetry“ sowie „The Border“. Die ersten zwei CDs repräsentieren den etwas komplexeren Anteil seines Soloschaffens, während die dritte CD mit Ausnahme von „You“ (eines seiner besten Songs, wohl auch der Beste seines ersten Soloalbums „A Curious Feeling“) seine Popsongs beinhaltet. Da Tony Banks im Laufe seiner Solokarriere mit einer beachtlichen Menge an Musikern zusammengearbeitet hat, finden sich im Rahmen dieser Werkschau die verschiedensten Sänger und Musiker. Bekannte Größen wie z.B. Nik Kershaw, Pino Palladino, Fish oder Toyah Willcox finden sich auf den Songs wieder. Dabei sind aber auch bekannte Gesichter wie Daryl Stuermer und Chester Thompson. Auf seinem Debüt sang der schottische Sänger Kim Beacon, beim darauffolgenden Album „The Fugitive“ entschied sich Banks dafür, seine Songs selbst einzusingen. Danach folgten Projekte mit verschiedenen Gastsängern („Bankstatement“ und „Still“), währen er bei seinem letzten Rockalbum, „Strictly Inc.“ von 1995 wieder wie bei seinem ersten Album auf einen Sänger setzte. Großartig sind die von Fish und Nik Kershaw gesungen Songs, aber auch seine eigene Stimme ist durchaus akzeptabel.

Die letzte CD beherbergt ausschließlich instrumentale Musik, unter anderem auch Stücke von seinem ersten eigen Filmmusikprojekt „The Wicket Lady“. Besonders interessant sind für mich die Demos sowie das unveröffentlichte „Poppet“ aus den „Still-Sessions“. Man kann auch gut nachvollziehen, wie „Spring Tide“ – eines meiner Lieblingskompostionen seiner klassischen Werke – entstand.

„A Chord Too Far“ ist der Startschuss zu einer großangelegten Wiederveröffentlichungs-Kampange von Esoteric Records. Das zu Cherry Red Records dazugehörige Label veröffentlicht viele Alben der Progressive Rock-Szene (unter anderem auch „Squackett mit Steve Hackett und dem inzwischen verstorbenen Chris Squire). Alle seine Studioalben sollen neu aufgelegt werden, remixt und zudem auch in einer 5.1-Version erscheinen. Die ersten Alben die erscheinen werden, sind „A Curious Feeling“, welches bereits 2009 in einer remixten Fassung erschien, und „The Fugitve“. Durch die im Rahmen dieser Anthologie beinhalteten Songs seines zweiten Albums wird man quasi schon „heiß“ auf das Erscheinen der neuen Fassung gemacht. Ich kann es selbst kaum erwarten.

A Chord Too Far“ ist eine wunderbare Gelegenheit das Soloschaffen von Tony Banks, für alle es noch nicht kannten, zu entdecken. Vielleicht findet der eine oder andere ja durchaus Gefallen an seine Kompositionen und wird neugierig auf seine anderen Alben. Und für die Fans, welche Tonys Solowerke kennen und auch lieben, macht man mit dieser Werkschau eine wahre Freude. Die remixten Songs, Demos und unveröffentlichten Songs sind schon alleine Grund genug für den Erwerb dieses Sets. Ich bin mit dieser Werkschau sehr zufrieden und verbrachte schon einige wunderschöne Stunden mit seiner Musik.

13 von 15 Punkten für diese Anthologie.