Freitag, 22. Januar 2016

Steven Wilson: 4 ½ (2016) - Erster Eindruck

Interessantes 'Mini-Album' - allerdings mit einigen Schwachpunkten


Nach knapp einem Jahr gibt es von Steven Wilson neues Material in Form einer EP (Extended Play) namens „4 ½“. Von den insgesamt sechs Songs stammen vier Songs aus den Aufnahmesessions zu „Hand. Cannot. Erase“ und einer aus den Sessions zu „The Raven That Refused to Sing“. Außerdem findet sich auf der EP noch eine Neuauflage des Porcupine Tree-Songs „Don't Hate Me“. Da mir „Hand. Cannot. Erase.“ zuletzt sehr gefallen hat, war ich sehr gespannt darauf, wie die (überwiegend) neuen Songs klingen. Hier ein erster Eindruck:

Das erste Stück „My Book of Regrets“ ist ein ausuferndes, über neuneinhalb Minuten langes Prog-Rock Werk mit vielen Facetten. Es fängt etwas zaghaft a, geht dann aber ab dem zweiten Viertel in einen groovigen Instrumentalteil über. Besonders schön ist das Gitarrensolo zum Ende, begleitet von angenehmen Mellotron-Streichern und einer Hammond-Orgel. Zum Schluss wird dann das Anfangsmotiv wieder aufgegriffen. „My Book of Regrets“ ist abwechslungsreich, unterhaltsam und dabei dennoch kreativ – mein erstes Highlight dieses „Mini-Albums“. Als nächstes wird es dann entspannter. Das Instrumental „Year of the Plague“ stammt aus den Sessions zu „The Raven That Refused to Sing“. Es zählt für mich leider zu den eher schwächeren Songs dieser EP. Steven Wilson spielt hier und da für meinen Geschmack zu sehr mit verschiedenen Samples (Violine, Chöre usw.) herum. Man kann es sich gefahrlos anhören, allerdings ist das Instrumental für meinen Geschmack dann doch zu belanglos. Die leichte, freundliche und zugängliche Seite wird mit „Happiness III“ repräsentiert. Ähnlich wie „Hand Cannot Erase“ (gemeint ist der Song), geht der Song sofort ins Ohr. In einer gekürzten Fassung, könnte ich mir den Song auch durchaus im Radio vorstellen. Darauf folgt dann ein weiteres Instrumental: „Sunday Rain Sets In“, dieses Mal aus den Aufnahmesessions zu „Hand. Cannot. Erase“. Kurzum: Es ist ganz nett. Wie aber auch das schon von mir erwähnte „Year of the Plague“, ist das Stück eher bedeutungslos. Dafür wird anschließend wieder spannender. Ein weiteres Highlight ist für mich das treibende, instrumentale „Vermillioncore“. Das Stück wurde bereits 2013 geschrieben, und im letzten Jahr fertiggestellt. Im Gegensatz zu den Tracks 2-4, ist „Vermillioncore“ endlich wieder rockig. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang das groovige Bassspiel von Nick Beggs – einfach großartig.
Zum Abschluss gibt es dann eine Neuaufnahme des Porcupine Tree-Klassikers „Don't Hate Me“. Es soll auf der letzten Europa-Tournee aufgenommen worden sein. Dazu kamen dann laut Booklet einige nachträgliche Bearbeitungen im Studio. Steven Wilson singt diesen Song im Duett mit Ninet Tayeb, welche bereits auf „Hand. Cannot. Erase.“ mitwirkte. Wer jetzt aber an das hervorragende und emotionale „Routine“ denkt, wird etwas enttäuscht sein. Ninet kommt mit ihren Gesangskünsten nicht voll zur Geltung. Obwohl die Neuaufnahme einige interessante Fassetten bietet, gefällt mir das Original doch etwas mehr.

Zusammenfassend erhält man mit der EP „4 ½“ eine ordentliche Mischung aus Outtakes und Neuaufnahmen in der gewohnten hohen Qualität. Meine Highlights sind eindeutig „My Book of Regrets“, das instrumentale „Vermillioncore“ und „Don't Hate Me“. Allerdings können die anderen drei Songs das hohe Niveau der anderen Tracks nicht aufrechterhalten. „Happiness III“ ist leichtgängig und dabei trotzdem gut, aber „Year of the Plague“ und „Sunday Rain Sets In“ fallen im Gegensatz zum Rest ab. Aber vielleicht erschließen mich diese zwei Stücke nach einer Zeit noch. Ich möchte daher nochmal betonen, dass dies hier erste Eindrücke sind – wohlmöglich kann es in drei-vier Monaten ganz anders aussehen („Hand. Cannot. Erase.“ brauchte bei mir auch erst eine Zeit, bis es gezündet hat). Momentan geb ich der EP aber vier von fünf Sternen. Was meint ihr?