Montag, 27. Juni 2016

Steve Hackett: The Total Experience Live in Liverpool (2 CD / 2 DVD)



Acolyte To Wolflight with Genesis Revisited

Im letzten Jahr feierte Steve Hacketts erstes Soloalbum „Voyage Of The Acolyte“ seinen 40. Geburtstag. Gleichzeitig wollte der ehemalige Genesis-Gitarrist sein aktuelles Soloalbum „Wolflight“ vorstellen. Aus diesen Gründen wurde letztes Jahr sowie Anfang dieses Jahres wieder ausführlich getourt. Die Tour lief unter den tollen Namen „Acolyte To Wolflight with Genesis Revisited“. Wie der Titel es auch schon andeutete, durften natürlich auch einige Genesis-Klassiker nicht fehlen. Und so kam es, dass InsideOut Music Steve anbot, einen Film von der Herbst-Tour 2015 zu machen. Als Ort wurde dieses Mal Liverpool, Heimatstadt der Beatles,  gewählt. Produziert wurde der Konzertfilm von Paul Green. Das Ergebnis trägt den Namen „The Total Experience: Live in Liverpool“. InsideOut hat aus dem Konzert ein 2DVD/2CD-Set gemacht, das eine Bonus-DVD enthält und das gesamte Konzert, verteilt auf zwei Audio-CDs. Gleichzeitig erscheint der Konzertfilm auch auf BlueRay, hier allerdings ohne die zwei CDs. Im Folgenden wird das 2DVD/2CD-Set bewertet.

AUFMACHUNG

Das kleine Box-Set kommt in Form eines Digipacks anstatt einer hochkantiger DVD-Verpackung. Dieses Format wurde bereits für die Veröffentlichungen „Live At Hammersmith“ und „Live At The Royal Albert Hall“ gewählt. Das Digipack ist aufklappbar, mit einem schlichten und zweckmäßigen Design. Enthalten ist das gesamte Konzert in Form von zwei Audio-CDs und einer Konzert-DVD. Auf der zweiten DVD befinden sich die Extras wie die Tour-Dokumentation und Musikvideos einiger Wolflight-Stücke. Pluspunkt ist wie immer, dass man einen Abdruck des Covers mit FSK-Logo einlegte und dadurch keine Verunstaltung des Box-Sets machte. 



DAS KONZERT

Die Setlist in der Übersicht:

CD 1:
1.      Corycian Fire Intro
2.      Spectral Mornings
3.      Out of the Body
4.      Wolflight
5.      Every Day
6.      Love Song to a Vampire
7.      The Wheel's Turning
8.      Loving Sea
9.      Jacuzzi
10.  Icarus Ascending
11.  Star of Sirius
12.  Ace of Wands
13.  A Tower Struck Down

CD 2:
1.      Shadow of the Hierophant
2.      Get 'em Out by Friday
3.      Can-Utility and the Coastliners
4.      After the Ordeal
5.      The Cinema Show
6.      Aisle of Plenty
7.      The Lamb Lies Down on Broadway
8.      The Musical Box
9.      Clocks
10.  Firth of Fifth

Die Setlist bietet ein recht kontrastreiches Programm, bestehend aus intensiven und ruhigeren Songs. Alleine der Anfang ist grandios. Schon zu Beginn spielt die Band den Klassiker Spectral Mornings – eine ungewöhnliche und mutige Wahl, denn dieses Instrumental dürfte *DAS* Hackett-Stück schlechthin sein. Ob dieses Stück als Opener gut geeignet ist oder nicht, ist sicher Ansichtssache. Dennoch ist es ein wundervoller Start und sofort war die Gänsehaut bei mir da. Danach gibt es mit Out of the Body und Wolflight zwei Songs seines aktuellen Albums und besonders hier war es interessant zu erfahren, wie diese neuen Songs live wirken. Erfreulicherweise ist zu sagen, dass diese ohnehin fantastischen Songs live noch mal ein ganzes Stück dazugewonnen haben. Anschließend begrüßt uns alle Steve in seiner gewohnt freundlichen und offenen Art. Mit EVERY DAY folgte dann ein weiterer Kracher. Da ich diesen Song liebe, ist  dies natürlich ein ganz besondere Moment für mich und sicher ein erstes Highlight. Als erster Gast kommt Amanda Lehmann auf die Bühne, welche Gesang und E-Gitarre beisteuert. Auf hohem Niveau geht es dann weiter mit LOVESONG TO A VAMPIRE, welches mit seinen ausufernden Chören im Refrain einem „Court of the Crimson King“ nicht unähnlich ist. Es folgt dann The Wheel's Turning mit seinem ulkigen Anfang („There is no Schadenfreude here“). Bei LOVING SEA wird es akustisch. Steve wechselte zur 12-saitigen Gitarre, Gary O’Toole kommt von seinem Schlagzeug hervor und gesellt sich neben Steve auf die Bühne, wo er zusammen mit Rob Townsend für Percussions zuständig ist – mal etwas anderes, aber sehr gut. Durch das geschickte Einstreuen solch ruhiger Song in mitten eines recht intensiven Programms, kann man sich als auch das Publikum erholen und entspannen. Jedenfalls sorgt der Song für einen guten Kontrast. Eine Akustikversion von JACCUZI von seinem 1980er Album Defektor folgt danach. Als weiteren Gast kommt Steves Bruder John Hackett auf die Bühne. Nach diesem leichten Stück kam erstmals Nad Sylvan auf die Bühne und sang ICARUS ASCENDING. Man war ja im Vorfeld schon darüber informiert, dass es gespielt werden sollte. Alle Welt hat sich gefragt, wie dieses Juwel mit Nad Sylvans Stimme wohl klingen mag. Es ist natürlich schwer, jemanden wie Richie Havens zu ersetzten, aber ich bin der Meinung, dass sich diese Liveversion vom Original nicht verstecken muss.
Nach diesem Klassiker folgt ein Block bestehend aus vier Songs seines ersten Soloopus „Voyage Of The Acolyte“. Den Anfang macht hier STAR OF SIRIUS, welches wiederum von Nad Sylvan gesungen wird. Auch hier muss sich sylvan nicht verstecken, kommt er doch mit seiner Stimme an das Original (gesungen von Phil Collins) recht nahe dran. Anschließend geht es nahtlos in ACE OF WANDS über. Dieses farbenfrohe Instrumental darf natürlich bei keinem Hackett-Konzert fehlen, und auch diese hier dargebotene Version ist es ein echtes Highlight. Es ist ein wahrliches Feuerwerk, ein musikalisches Fest welches Steve Hackett samt Band hier zelebriert. Das ist die pure Lebensfreude. Darauf folgt A TOWER STRUCK DOWN, welches im Gegensatz zum Original ein ganzes Stück brutaler rüberkommt. Ich mag es ab und zu mal, wenn Steve die Leinen los lässt. Man traut es dem zurückhaltenden, höflichen Engländer eigentlich nicht so wirklich zu, aber manchmal zeigt er auch mal seine etwas härtere, experimentierfreudige Seite.
Als letztes Stück des Solo-Blocks wird dann das epische SHADOW OF THE HIEROPHANT gespielt, welches von Amanda Lehmann gesungen wird. Ihr glasklarer, engelsgleicher Gesang passt wie immer wunderbar zu diesem Stück. Das Highlight ist hier selbstverständlich der furiose Instrumentalteil. Die Band gibt alles - man möchte, dass es damit nicht aufhört. SHADOW OF THE HIEROPHANT ist eins dieser bombastischen Nummern, für die Steve für immer ein Stein im Brett bei mir haben wird. Damit war der erste Teil des Konzertes vorbei.

Als nächstes folgt ein Genesis-Block und erste Überraschung ist hier Get 'Em Out By Friday. Das recht sperrige Stück brilliert durch die vielen aufgeteilten Gesangparts, denn nicht nur Nad Sylvan, sondern auch Gary O’Toole und Steve Hackett selbst teilen sich hier den Gesang. Erstes Highlight des zweiten Blocks ist dann aber Can-Utility and the Coastliners – ein Song, welcher vielleicht wie kein anderer die Essenz von Genesis beinhaltet. Sofort ist dieser Gänsehautmoment während des Instrumentalteils da. Das Stück kann live überzeugen und wird auch vom Publikum verdienterweise gebührend gewürdigt. Anschließend wird es interessant….
Richtig gespannt war ich nämlich auf den Dreiteiler, bestehend aus AFTER THE ORDEAL, THE CINEMA SHOW und AISLE OF PLENTY. Ersteres wird in einer erweiterten Version gespielt, als es auf Selling England by the Pound zu finden ist. Hier kann Neuling Roine Stolt an der E-Gitarre mit einem schönen Solo brillieren und zeigen, dass auch er ein hervorragender Gitarrist ist. Es folgt THE CINEMA SHOW, welches sich weitestgehend an das Original hält. Tonys Synthie-Solo wird von Roger King gespielt, mit Unterstützung von Rob Townsend an den Blasinstrumenten. Steve spielt Mike Rutherfords Rhythmusgitarren-Part, während Roine Stolt an der Doubleneck-Gitarre den Bass bedient. Auch hier ist es schön Gary beim Schlagzeug-Spiel zuzusehen. Es geht natürlich nahtlos in AISLE OF PLENTY über, in welchem Nad Sylvan allerdings nicht wie im Original die skurrilen Supermarkt-Angebote singt. Man war dennoch gut unterhalten. Vielleicht hätte man THE CINEMA SHOW anders arrangieren können, sodass Tony Banks Solo am Synthesizer von Steve mit der Gitarre gespielt worden wäre, allerdings jammere ich jetzt auch auf extrem hohem Niveau
Über die Wahl von THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY lässt sich sicher streiten. Ich hab den Eindruck, dass es nicht wirklich ins Set passt. Man hätte vielleicht dann doch einen Song nehmen sollen, wo es einen direkten Bezug zu Steve gibt, wie beispielsweise CARPET CRAWLERS oder FLY ON A WINDSHIELD. Dennoch wurde das Stück solide dargeboten. Anschließend folgt mit THE MUSICAL BOX dann ein Klassiker, ein richtiges Highlight. Auch hier wird wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Rolle von Rob Townsend doch ist. Durch das Einstreuen der Blasinstrumente wird dem Song das nötige I-Tüpfelchen verpasst.
Als Zugabe des Konzertes wurden noch CLOCKS und FIRTH OF FIFTH gespielt. Ersteres ist inzwischen schon ein Live-Klassiker von Steve Hackett. Durch das Verwenden von reichlichen Mellotron-Streichern und Basspedalen, wird hier eine bedrohliche Stimmung erzeugt, welche sich dann schlagartig entlädt. Hervorzuheben ist hier wieder einmal Gary O’Toole, denn sein Drumsolo am Ende von CLOCKS ist grandios. Bevor die Band dann wirklich die Bühne verlässt, gibt es mit FIRTH OF FIFTH noch ein letztes Highlight und auch bei diesem Song ist die Stimmung einfach grandios. Das überragende Gitarrensolo ist wie immer zum Niederknien und dürfte auch den letzten Nörgler zufriedengestellt haben. Anschließend ist das Konzert dann wirklich zu Ende.

Was mir noch auffällt: Es wurden keine Songs vom Vorgängeralbum „Beyond the Shrouded Horizon“ gespielt, was etwas schade ist, da es zu meinen persönlichen Lieblingen unter den Hackett-Alben gehört. Dennoch bietet die Setlist eine gelungene Werkschau durch das recht umfangreiche Schaffen von Steve Hackett.

DIE BAND

Steve Hackett – electric and acoustic guitars, lead vocals and backing vocals
Roger King – keyboards and programming
Rob Townsend – sax, flute, tin whistle, clarinet, additional keyboards, bass pedals, percussions, backing vocals
Gary O'Toole – drums, percussions, vocals and backing vocals
Roine Stolt – bass guitar, double-neck guitar (12 string guitar and bass), electric guitar, backing vocals
Nad Sylvan – lead vocals, tambourine  

Guests:

Amanda Lehmann – electric guitar, lead vocals and backing vocals
John Hackett – flute

Die Band spielt auf gewohnt hohem Niveau und ist stets gut gelaunt. Steve Hackett wirkt wie immer stets freundlich, offen und dem Publikum zugewandt. Man merkt dem Altmeister einfach an, dass er Spaß an seiner Sache hat. Ab und zu spricht er zum Publikum, lässt aber ansonsten seine Gitarre sprechen. Seine Gitarrenkünste sind ohne Zweifel erhaben und er spielt an diesem Abend alle Songs mit einer Leidenschaft, die Seinesgleichen sucht. Hervorzuheben seien da EVERY DAY, Love Song to a Vampire und SPECTRAL MORNINGS. Ein weiterer Musiker, der an diese Abend wahnsinnig viel Spaß gehabt haben dürfte, ist Gary O'Toole. Er macht seine Sache sehr gut, wirkte locker und lässig. Es macht einfach Spaß ihm zuzuschauen. Besonders SHADOW OF THE HIEROPHANT und das Drumsolo am Ende von CLOCKS machten deutlich, dass Gary ein Vollblutmusiker ist. Zu erwähnen ist auch die Rolle von Rob Townsend, der schon seit vielen Jahren dabei ist und zu einem essentiellen Bestandteil der Band wurde. Die Einbindung der verschiedenen Blasinstrumente gibt den Songs das gewisse etwas. Aber auch Roger King an den Keyboards macht seine Arbeit wie gewohnt sehr gut. Der Neuling in der Runde – Roine Stolt – wirkt manchmal etwas schüchtern und unsicher. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich in der Rolle des Bassisten so richtig wohlfühlte. Man muss dazu aber auch sagen, dass es schwer ist, jemanden wie Nick Beggs zu ersetzten. Im zweiten Teil des Konzertes kam Roine weit besser zur Geltung und wirkte in der Rolle des Mike Rutherford sicherer. Dennoch macht er insgesamt seine Sache gut. Mit dabei ist auch weiterhin Nad Sylvan. Er ist – man mag von ihm halten was man will – inzwischen schon ein integraler Bestandteil der Steve Hackett – Mannschaft geworden. Seine Interaktionen mit dem Publikum sowie kleine Details, wie z.B. die Percussions bei Can-Utility and the Coastliners machen ihn sehr sympathisch. Auch gesanglich kann er überzeugen. Selbst das im Vorfeld angezweifelte ICARUS ASCENDING bringt Sylvan mit Bravour rüber.

BILD UND TON

Das Bild der DVD ist sehr ordentlich - Standardauflösung eben, die BlueRay liegt mir leider nicht vor, sodass ich diese nicht bewerten kann. Vielleicht hätte man hier und dort etwas mehr herausholen können, aber ich jammere jetzt auf sehr hohem Niveau. Auch die Kameraeinstellungen sind optimal, keineswegs zu hecktisch sondern so angepasst, dass man das Geschehen auf der Bühne gut mit verfolgen kann. Der Sound an sich ist sehr klar, dynamisch und kraftvoll - keineswegs breiig, sondern gut abgemischt. Besonders die Bässe kommen sehr gut rüber. 
Verwirrend ist die Angabe, dass das Konzert in 4.1 daherkommt – laut Informationen aus dem Internet soll der Kanal für die Rear-Speaker ein einziger sein. Leider konnte ich das Konzert bisher nicht in Surround-Sound testen, um dies zu überprüfen. Vielleicht mag ja ein anderer Rezensent darauf hinweisen.

ZUSAMMENFASSUNG

Das war sie nun, die neue Live-Veröffentlichung von Steve Hackett. Über Sinn und Unsinn dieser Veröffentlichung lässt sich vielleicht streiten - gibt es doch inzwischen recht viele Live-Veröffentlichungen der letzten Tourneen (sowohl Solo als auch die Genesis-Revisited Tour). Einer sagte mal „Die Kuh wird weiter gemolken“. Davon kann jeder halten was er will, nichtsdestotrotz wird uns mit diesem Digipack ein tolles Konzert geboten. Die Band spielt auf Top-Niveau, die Songs sind allesamt gut bis sehr gut und auch das Bild ist ordentlich. Interessant war es zu erfahren, wie die neuen Songs seines aktuellen Albums im Livekontext wirken. Alle Zweifel wurden mit diesem Konzertfilm ausgeräumt. Die neuen Songs klingen live noch mal besser als im Original und das Publikum weiß das auch zu würdigen. Vor allem WOLFLIGHT und LOVESONG TO A VAMPIRE kommen live sehr gut rüber.  
Kritisieren könnte man eventuell den recht hohen Anteil an Genesis-Songs, was aber garantiert marketingtechnisch seine Gründe haben dürfte. Als Hackett-Fan wünsche ich mir wieder verstärkt Solosongs in die Setlist, wie es vielleicht auf der „Once above a time“ oder „Fire and Ice“ zu finden ist. Dennoch bietet aber auch der Genesis-Teil viele Highlights wie Can-Utility and the Coastliners, THE CINEMA SHOW oder THE MUSICAL BOX. Und das abschließende FIRTH OF FITH sowieso über alle Zweifel erhaben. Welcher von den beiden Teilen jetzt besser ist, lässt sich schwer sagen. Ich tendiere zum Hackett-Soloteil, da dort viele Songs gespielt werden, die ich einfach liebe. Allem in allem ist es aber ein sehr abwechslungsreiches Konzert. Insgesamt ist dieses Box-Set eine lohnenswerte Investition (und Ergänzung!) für alle Hacketteers, sowie für alteingesessene Genesis-Fans der Prog-Phase.

Mittwoch, 15. Juni 2016

Eloy: Colours (1980)



Neue Farben im teutonischen Progressive Rock

Anfang der 80er Jahre hatten es viele Prog-Rock–Bands, aufgrund des veränderten musikalischen Zeitgeistes, plötzlich schwer, zu überleben. Viele Bands wandelten sich und fingen an, kürzere und einfachere Songs zu schreiben. Eloy hatten den Übergang von den 70ern zu den 80ern im Vergleich dazu recht gut überstanden. Aber zuerst einmal die Geschichte dazu:

Im Herbst 1979 stand die nächste große Bandumstellung bei Eloy an. Keyboarder Detlev Schmidtchen und Schlagzeuger Jürgen Rosenthal, welcher auch seit „Dawn“ für die Texte verantwortlich war, verließen die Band. Schon während den Aufnahmen zum Vorgängeralbum „Silent Cries and mighty Echoes“ kam es zu Spannungen innerhalb der Band, die zuletzt während 1979 noch einmal tourten. Infolge dessen traten Schmidtchen und Rosenthal bei Eloy aus, um sich dem gemeinsamen Projekt „Ego on the Rocks“ zu widmen. Damit war die „legendäre Eloy-Besetzung“ dahin. Im Gegensatz zur ersten großen Bewährungsprobe 1975, war Mastermind Frank Bornemann dieses Mal aber nicht alleine. Bassist Klaus-Peter Matziol wollte bleiben, und dabei helfen, die neuen Eloy zu formieren. Man fand die neuen Musiker in Form von Hannes Arkona und Hannes Folberth. Gitarrist Hannes Arkona war bereits auf der Tour 1979 als Zweitgitarrist dabei und kannte den Pianisten Hannes Folberth. Dieser sollte wiederum die Lücke bei den Keyboards füllen. Jim McGillivray wurde neuer Schlagzeuger – und fertig war die neue Eloy-Besetzung. Schon im Frühjahr 1980 begannen die Aufnahmen zum neuen Album. Aufgrund des Zeitdrucks seitens der Plattenfirma, konnte dieses Mal allerdings kein pompöses, ausuferndes Konzeptalbum geschaffen werden, wie es die Alben vorher waren. Das neue Album trägt den Namen „Colours“ und das hört man auch! Es ist einerseits rockiger, aber andererseits auch bunter, lebendiger und fröhlicher als die vielleicht etwas zu düster und mystisch daherkommenden Vorgängeralben. Alle Songs sind unter 10 Minuten lang, das längste Lied dauert gerade einmal 07:20 Minuten. Auch verschwanden zum Großteil die ausufernden Instrumentalpassagen und atmosphärischen Keyboard-Flächen, dafür wurde alles etwas straffer und knackiger.

Auf dem Album befinden sich folgende Songs:

1.      Horizons                                        (Lyrics: Jim McGillivray)
2.      Illuminations                                (Lyrics: Jim McGillivray)
3.      Giant                                              (Lyrics: Sonja Brown)
4.      Impressions                                  (Lyrics: Sonja Brown)
5.      Child Migration                            (Lyrics: Jim McGillivray)
6.      Gallery                                          (Lyrics: Jim McGillivray)
7.      Silhouette                                     (Lyrics: Jim McGillivray)
8.      Sunset                                           (Lyrics: Jim McGillivray)

Die remasterte Version beinhaltet zusätzlich folgende Bonustracks:

9.      Wings Of Vision                           (Lyrics: Jim McGillivray)
10.  Silhouette (Single Edit)                 (Lyrics: Jim McGillivray)

Alle Songs wurden von Eloy geschrieben und arrangiert. Produziert wurde das Album in den Horus Sound Studios Hannover von Eloy und Frank Bornemann.

Die neu formierte Band besteht im Detail aus folgenden Musikern:


  • Frank Bornemann: Acoustic and Electric guitars, Lead vocals
  • Klaus-Peter Matziol: Bass guitars, Vocals
  • Hannes Arkona: Acoustic and Electric guitars
  • Hannes Folberth: Keyboards, Synthesizer and Piano
  • Jim McGillivray: Drums, Percussion and Lyrics (except tracks 3 and 4)


Weitere Musiker, die am Album beteiligt waren, sind:

  •  Edna and Sabine: Vocals on „Horizons“


Für die Songtexte wurde wieder der Schlagzeuger engagiert, mit Ausnahme des dritten und vierten Songs. Das Albumcover wurde von Winfried Reinbacher entworfen und gehört zu den schönsten Covern die ich kenne. Es zeigt auch, in welche Richtung die Songs gehen sollen. Thematisierten die Songs der zwei Vorgängeralben „Ocean“ und „Silent Cries and mighty Echoes“ meist recht dunkle Szenarien, geprägt von Weltuntergängen, Ende der Menschheit etc., so sind die Songs auf „Colours“ spürbar fröhlicher, munterer und naturverbundener.


Gleich im ersten Song werden diese Themen aufgegriffen. „Horizons“ brilliert durch Frauengesang und massiven Einsatz des Clavinets und hebt sich dadurch gleich zu Anfang des Albums deutlich ab. In dem von Jim McGillivray geschriebenen Text wird die Naturverbundenheit deutlich:

sunbeams dancing in your mind
blue larks embracing sunlight
lotus of petals glistening
cool shade of wise trees listening
dawn of light lies between silence
chased amid fusions of wonder
revealing corridors of time
pictures of redescending distance
love colours sent within us
our endless caress for freedom
dawn of light lies between silence
chased amid fusions of wonder
revealing corridors of time
pictures of redescending distance
love colours sent within us
our endless caress for freedom

Ich könnte mir dieses sphärische Lied immer wieder anhören. Es ist einfach wunderschön.

Das darauffolgende „Illuminations“ ist ein weiteres gutes Beispiel für die neuen Eloy. Die Sounds sind teilweise viel spaciger als auf den Vorgängeralben und kurze Gitarren-Riffs gesellen sich dazu. Insbesondere die Keyboard-Flächen wurden durch vielfältige Synthie-Sounds ersetzt. Durch die vielen E-Gitarren entsteht ein viel rockigerer Gesamtsound. „Giant“ fängt dagegen ganz in alter Eloy-Manier mit den atmosphärischen ARP-String-Flächen an, um dann in einen lockeren Rocksound zu münden. Immer wieder sind sehr schöne Melodiebögen aus Synthesizern und ARP-Strings zu hören, ehe der Song in einen von Keyboards getragenen Instrumentalteil übergeht, eh zum Schluss wieder Bornemanns vertraute Stimme erklingt. Allgemein muss man sagen, dass sich sein Gesang im Vergleich zu den Vorgängeralben (auf denen er teilweise sehr akzentuiert sang…) verbessert hat. „Impressions“ besticht durch ein sehr schönes Flötensolo, dessen Musiker allerdings nicht erwähnt wird, ansonsten ist dieses schöne kurze Lied recht kurzweilig. Anschließend folgt „Child Migration“ – der längste Song des Albums und mein Favorit. Ursprünglich wurde der Song im Jahr 1979 zum Anlass des „Jahr des Kindes“ komponiert. Tatsächlich findet man diese Version als Bonustrack der Neuauflage von „Silent Cries and mighty Echoes“. Die Album-Version auf „Colours“ unterscheidet sich allerdings deutlich von der ursprünglichen Version, da sich Bornemann dazu entschied, den Song komplett umzuschreiben. Der Text wurde auch fast vollständig verändert. Im Endeffekt entstand so ein ziemlich abwechslungsreicher Rocksong. Alleine das Intro fängt schon interessant an, ansonsten wechseln sich rockige Gitarrenriffs und sphärische Keyboard-Sounds immer wieder ab. Mit „Gallery“ folgt der in meinen Augen einzige Tiefpunkt des Albums. Das recht poppig daherkommende Lied mit einer Länge von 03:22 Minuten ist für meinen Geschmack viel zu hecktisch und auf Dauer einfach nur nervig. Zum Glück wird man mit dem nachfolgenden Song wieder entschädigt. „Silhouette“ fängt ganz wunderschön-dezent an und wirkt mit dem vielen Klavier und Clavinet fast schon klassisch. Auch hier ist der blumige und naturverbundene Songtext zu erwähnen:

she grew like the blossming oak tree
a fountain of magic spells
her mind was of sunshowered beauty
we once knew so well
her roots understanding of earth seeking silently
branches of arching embrace and serenety
flowers revealing the secret of her own mystery
her fruit offering endless desire for true love and harmony

Nach diesem farbigen Intro artet der Song allerdings in einen gradlinigen Rock-Song aus. Für Eloy-Verhältnisse geht dieser Song ziemlich nach vorn. Irgendwie erinnert mich das Lied an „Eye of the Tiger“ von Survivor, auch wenn dieses erst ein Jahr später erschien. Zum Ende von „Silhouette“ gibt es dann noch ein knackiges Gitarrensolo zu hören. Seinerzeit wurde das Lied auch als Single ausgekoppelt – ohne das schöne Intro. Das Abschließende Stück „Sunset“ ist wiederum rein instrumental und wirkt mit der Akustikgitarre und dem Synthesizer sehr sphärisch. Wie auch schon „Horizons“, schafft es der letzte Song einen bunten und sehr lebhaften Eindruck zu hinterlassen und eh Mann sich versieht, ist das Album vorbei. Mit einer Gesamtspieldauer von nur knapp 40 Minuten (ohne Bonustracks) ist es etwas kürzer als die vorigen Eloy-Alben.

Als Bonustracks gibt es zum einem das sehr kommerzielle „Wings of Vision“, welches sich deutlich vom gewohnten Eloy-Stil absetzt, sowie die erwähnte Single-Version von „Silhouette“.


ZUSAMMENFASSUNG

Eloy haben den Übergang in die 80er Jahre gut überstanden. „Colours“ beinhaltet sowohl kürzere und gradlinigere Lieder, als auch längere, verspieltere und komplexere Lieder. Insgesamt klingt das Album deutlich frischer als seine Vorgänger. Songs wie „Horizons“ und das abschließende Instrumental „Sunset“ sind in ihrer Art außergewöhnlich und wunderschön. Auffällig ist der hohe Anteil an elektrischen Gitarren, wodurch auch ein insgesamt rockigerer Eindruck entsteht. Weniger Symphonic-Rock, dafür mehr verspielter und farbenfroher Artrock. Die Songs sind spürbar fröhlicher und gelöster, auch wenn diese nicht als Ganzes im Kontext eines Konzeptalbums stehen. Ich würde es vielleicht mit „DUKE“ von Genesis vergleichen, welches zu selbiger Zeit erschien und seinerzeit sowohl Fans als auch Kritiker zufriedenstellte. „Colours“ ist jedenfalls in meinen Augen das letzte gute Eloy-Album, welches irgendwie noch den Sound der 70er Jahre einatmet, aber mit dem anderen Fuß schon in den 80ern steht. Jedenfalls kann man das Album immer wieder hören, es zählt auch zu meinen meistgehörtesten Eloy-Alben. Ich bin mit dem Endergebnis voll zufrieden, nur auf „Gallery“ hätte man vielleicht verzichten können. Im Kontext einer 15-Punkte-Skale würde ich es vielleicht mit 13 Punkten bewerten wollen. Also, wer etwas leichteren Prog-Rock hören möchte, oder sich mit Eloy näher beschäftigen möchte, der kann die „Colours“ ruhig kaufen. Eloy-Fans sollten dieses Album ohnehin besitzen.

Quellen:

  • Booklet zum Album
  • Discogs.com
  • Eloy - Legacy