Acolyte
To Wolflight with Genesis Revisited
Im letzten
Jahr feierte Steve Hacketts erstes Soloalbum „Voyage Of The Acolyte“ seinen 40. Geburtstag. Gleichzeitig wollte
der ehemalige Genesis-Gitarrist sein aktuelles Soloalbum „Wolflight“ vorstellen. Aus diesen Gründen wurde letztes Jahr sowie
Anfang dieses Jahres wieder ausführlich getourt. Die Tour lief unter den tollen
Namen „Acolyte To Wolflight with Genesis
Revisited“. Wie der Titel es auch schon andeutete, durften natürlich auch
einige Genesis-Klassiker nicht fehlen. Und so kam es, dass InsideOut Music
Steve anbot, einen Film von der Herbst-Tour 2015 zu machen. Als Ort wurde
dieses Mal Liverpool, Heimatstadt der Beatles, gewählt. Produziert wurde der Konzertfilm von
Paul Green. Das Ergebnis trägt den Namen „The Total Experience: Live in
Liverpool“. InsideOut hat aus dem Konzert ein 2DVD/2CD-Set gemacht, das eine
Bonus-DVD enthält und das gesamte Konzert, verteilt auf zwei Audio-CDs.
Gleichzeitig erscheint der Konzertfilm auch auf BlueRay, hier allerdings ohne
die zwei CDs. Im Folgenden wird das 2DVD/2CD-Set bewertet.
AUFMACHUNG
Das kleine
Box-Set kommt in Form eines Digipacks anstatt einer hochkantiger
DVD-Verpackung. Dieses Format wurde bereits für die Veröffentlichungen „Live
At Hammersmith“ und „Live At The Royal Albert Hall“ gewählt. Das
Digipack ist aufklappbar, mit einem schlichten und zweckmäßigen Design.
Enthalten ist das gesamte Konzert in Form von zwei Audio-CDs und einer
Konzert-DVD. Auf der zweiten DVD befinden sich die Extras wie die
Tour-Dokumentation und Musikvideos einiger Wolflight-Stücke. Pluspunkt ist wie
immer, dass man einen Abdruck des Covers mit FSK-Logo einlegte und dadurch
keine Verunstaltung des Box-Sets machte.
DAS KONZERT
Die Setlist
in der Übersicht:
CD 1:
1.
Corycian Fire Intro
2.
Spectral Mornings
3.
Out of the Body
4.
Wolflight
5.
Every Day
6.
Love Song to a Vampire
7.
The Wheel's Turning
8.
Loving Sea
9.
Jacuzzi
10.
Icarus Ascending
11.
Star of Sirius
12.
Ace of Wands
13.
A Tower Struck Down
CD 2:
1.
Shadow of the Hierophant
2.
Get 'em Out by Friday
3.
Can-Utility and the Coastliners
4.
After the Ordeal
5.
The Cinema Show
6.
Aisle of Plenty
7.
The Lamb Lies Down on Broadway
8.
The Musical Box
9.
Clocks
10.
Firth of Fifth
Die Setlist
bietet ein recht kontrastreiches Programm, bestehend aus intensiven und
ruhigeren Songs. Alleine der Anfang ist grandios. Schon zu Beginn spielt die
Band den Klassiker Spectral Mornings
– eine ungewöhnliche und mutige Wahl, denn dieses Instrumental dürfte *DAS*
Hackett-Stück schlechthin sein. Ob dieses Stück als Opener gut geeignet ist
oder nicht, ist sicher Ansichtssache. Dennoch ist es ein wundervoller Start und
sofort war die Gänsehaut bei mir da. Danach gibt es mit Out of the Body und Wolflight zwei Songs seines
aktuellen Albums und besonders hier war es interessant zu erfahren, wie diese
neuen Songs live wirken. Erfreulicherweise ist zu sagen, dass diese ohnehin
fantastischen Songs live noch mal ein ganzes Stück dazugewonnen haben. Anschließend
begrüßt uns alle Steve in seiner gewohnt freundlichen und offenen Art. Mit EVERY
DAY folgte dann ein weiterer Kracher. Da ich diesen Song liebe, ist dies natürlich ein ganz besondere Moment für
mich und sicher ein erstes Highlight. Als erster Gast kommt Amanda Lehmann auf
die Bühne, welche Gesang und E-Gitarre beisteuert. Auf hohem Niveau geht es
dann weiter mit LOVESONG TO A VAMPIRE, welches mit seinen ausufernden Chören
im Refrain einem „Court of the Crimson King“ nicht unähnlich ist. Es folgt dann
The Wheel's Turning mit seinem ulkigen Anfang („There is
no Schadenfreude here“). Bei LOVING SEA wird es akustisch. Steve
wechselte zur 12-saitigen Gitarre, Gary O’Toole kommt von seinem Schlagzeug
hervor und gesellt sich neben Steve auf die Bühne, wo er zusammen mit Rob
Townsend für Percussions zuständig ist – mal etwas anderes, aber sehr gut.
Durch das geschickte Einstreuen solch ruhiger Song in mitten eines recht intensiven
Programms, kann man sich als auch das Publikum erholen und entspannen.
Jedenfalls sorgt der Song für einen guten Kontrast. Eine Akustikversion von JACCUZI von seinem 1980er Album
Defektor folgt danach. Als weiteren Gast kommt Steves Bruder John Hackett auf
die Bühne. Nach diesem leichten Stück kam erstmals Nad Sylvan auf die Bühne und
sang ICARUS ASCENDING. Man
war ja im Vorfeld schon darüber informiert, dass es gespielt werden sollte.
Alle Welt hat sich gefragt, wie dieses Juwel mit Nad Sylvans Stimme wohl
klingen mag. Es ist natürlich schwer, jemanden wie Richie Havens zu ersetzten,
aber ich bin der Meinung, dass sich diese Liveversion vom Original nicht
verstecken muss.
Nach diesem
Klassiker folgt ein Block bestehend aus vier Songs seines ersten Soloopus
„Voyage Of The Acolyte“. Den Anfang macht hier STAR OF SIRIUS, welches
wiederum von Nad Sylvan gesungen wird. Auch hier muss sich sylvan nicht
verstecken, kommt er doch mit seiner Stimme an das Original (gesungen von Phil
Collins) recht nahe dran. Anschließend geht es nahtlos in ACE OF WANDS
über. Dieses farbenfrohe Instrumental darf natürlich bei keinem Hackett-Konzert
fehlen, und auch diese hier dargebotene Version ist es ein echtes Highlight. Es
ist ein wahrliches Feuerwerk, ein musikalisches Fest welches Steve Hackett samt
Band hier zelebriert. Das ist die pure Lebensfreude. Darauf folgt A TOWER
STRUCK DOWN, welches im Gegensatz zum Original ein ganzes Stück brutaler
rüberkommt. Ich mag es ab und zu mal, wenn Steve die Leinen los lässt. Man
traut es dem zurückhaltenden, höflichen Engländer eigentlich nicht so wirklich
zu, aber manchmal zeigt er auch mal seine etwas härtere, experimentierfreudige
Seite.
Als letztes
Stück des Solo-Blocks wird dann das epische SHADOW OF THE HIEROPHANT
gespielt, welches von Amanda Lehmann gesungen wird. Ihr glasklarer,
engelsgleicher Gesang passt wie immer wunderbar zu diesem Stück. Das Highlight
ist hier selbstverständlich der furiose Instrumentalteil. Die Band gibt alles -
man möchte, dass es damit nicht aufhört. SHADOW OF THE HIEROPHANT ist
eins dieser bombastischen Nummern, für die Steve für immer ein Stein im Brett
bei mir haben wird. Damit war der erste Teil des Konzertes vorbei.
Als nächstes
folgt ein Genesis-Block und erste Überraschung ist hier Get 'Em Out By Friday. Das recht sperrige Stück brilliert
durch die vielen aufgeteilten Gesangparts, denn nicht nur Nad Sylvan, sondern
auch Gary O’Toole und Steve Hackett selbst teilen sich hier den Gesang. Erstes
Highlight des zweiten Blocks ist dann aber Can-Utility
and the Coastliners – ein Song, welcher vielleicht wie kein
anderer die Essenz von Genesis beinhaltet. Sofort ist dieser Gänsehautmoment
während des Instrumentalteils da. Das Stück kann live überzeugen und wird auch
vom Publikum verdienterweise gebührend gewürdigt. Anschließend wird es
interessant….
Richtig
gespannt war ich nämlich auf den Dreiteiler, bestehend aus AFTER THE ORDEAL,
THE CINEMA SHOW und AISLE OF PLENTY. Ersteres wird in einer erweiterten
Version gespielt, als es auf Selling England by the Pound zu finden ist. Hier kann
Neuling Roine Stolt an der E-Gitarre mit einem schönen Solo brillieren und
zeigen, dass auch er ein hervorragender Gitarrist ist. Es folgt THE CINEMA SHOW,
welches sich weitestgehend an das Original hält. Tonys Synthie-Solo wird von
Roger King gespielt, mit Unterstützung von Rob Townsend an den
Blasinstrumenten. Steve spielt Mike Rutherfords Rhythmusgitarren-Part, während
Roine Stolt an der Doubleneck-Gitarre den Bass bedient. Auch hier ist es schön
Gary beim Schlagzeug-Spiel zuzusehen. Es geht natürlich nahtlos in AISLE OF
PLENTY über, in welchem Nad Sylvan allerdings nicht wie im Original die
skurrilen Supermarkt-Angebote singt. Man war dennoch gut unterhalten.
Vielleicht hätte man THE CINEMA SHOW anders arrangieren können, sodass
Tony Banks Solo am Synthesizer von Steve mit der Gitarre gespielt worden wäre,
allerdings jammere ich jetzt auch auf extrem hohem Niveau
Über die
Wahl von THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY lässt sich sicher streiten. Ich
hab den Eindruck, dass es nicht wirklich ins Set passt. Man hätte vielleicht
dann doch einen Song nehmen sollen, wo es einen direkten Bezug zu Steve gibt,
wie beispielsweise CARPET CRAWLERS oder FLY ON A WINDSHIELD.
Dennoch wurde das Stück solide dargeboten. Anschließend folgt mit THE
MUSICAL BOX dann ein Klassiker, ein richtiges Highlight. Auch hier wird
wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Rolle von Rob Townsend doch ist. Durch
das Einstreuen der Blasinstrumente wird dem Song das nötige I-Tüpfelchen
verpasst.
Als Zugabe
des Konzertes wurden noch CLOCKS und
FIRTH OF FIFTH gespielt.
Ersteres ist inzwischen schon ein Live-Klassiker von Steve Hackett. Durch
das Verwenden von reichlichen Mellotron-Streichern und Basspedalen, wird hier
eine bedrohliche Stimmung erzeugt, welche sich dann schlagartig entlädt.
Hervorzuheben ist hier wieder einmal Gary O’Toole, denn sein Drumsolo am Ende
von CLOCKS ist grandios. Bevor die Band dann wirklich die Bühne
verlässt, gibt es mit FIRTH OF FIFTH noch ein letztes Highlight und auch
bei diesem Song ist die Stimmung einfach grandios. Das überragende Gitarrensolo
ist wie immer zum Niederknien und dürfte auch den letzten Nörgler
zufriedengestellt haben. Anschließend ist das Konzert dann wirklich zu Ende.
Was mir noch
auffällt: Es wurden keine Songs vom Vorgängeralbum „Beyond the Shrouded
Horizon“ gespielt, was etwas schade ist, da es zu meinen persönlichen
Lieblingen unter den Hackett-Alben gehört. Dennoch bietet die Setlist eine
gelungene Werkschau durch das recht umfangreiche Schaffen von Steve Hackett.
DIE BAND
Steve Hackett – electric and acoustic guitars, lead vocals and backing vocals
Roger King – keyboards and programming
Rob Townsend – sax, flute, tin whistle, clarinet, additional keyboards, bass pedals, percussions, backing vocals
Gary O'Toole – drums, percussions, vocals and backing vocals
Roine Stolt – bass guitar, double-neck guitar (12 string guitar and bass), electric guitar, backing vocals
Nad Sylvan – lead vocals, tambourine
Roger King – keyboards and programming
Rob Townsend – sax, flute, tin whistle, clarinet, additional keyboards, bass pedals, percussions, backing vocals
Gary O'Toole – drums, percussions, vocals and backing vocals
Roine Stolt – bass guitar, double-neck guitar (12 string guitar and bass), electric guitar, backing vocals
Nad Sylvan – lead vocals, tambourine
Guests:
Amanda Lehmann – electric guitar, lead vocals and backing vocals
John Hackett – flute
John Hackett – flute
Die Band
spielt auf gewohnt hohem Niveau und ist stets gut gelaunt. Steve Hackett wirkt
wie immer stets freundlich, offen und dem Publikum zugewandt. Man merkt dem
Altmeister einfach an, dass er Spaß an seiner Sache hat. Ab und zu spricht er
zum Publikum, lässt aber ansonsten seine Gitarre sprechen. Seine Gitarrenkünste
sind ohne Zweifel erhaben und er spielt an diesem Abend alle Songs mit einer
Leidenschaft, die Seinesgleichen sucht. Hervorzuheben seien da EVERY DAY, Love Song to a Vampire und SPECTRAL
MORNINGS. Ein weiterer Musiker, der an diese Abend wahnsinnig viel
Spaß gehabt haben dürfte, ist Gary O'Toole. Er macht
seine Sache sehr gut, wirkte locker und lässig. Es macht einfach Spaß ihm
zuzuschauen. Besonders SHADOW OF THE HIEROPHANT und das Drumsolo am Ende
von CLOCKS machten deutlich, dass Gary ein Vollblutmusiker ist. Zu erwähnen ist auch
die Rolle von Rob Townsend, der schon seit
vielen Jahren dabei ist und zu einem essentiellen Bestandteil der Band wurde.
Die Einbindung der verschiedenen Blasinstrumente gibt den Songs das gewisse
etwas. Aber auch Roger King an den Keyboards macht seine Arbeit wie gewohnt
sehr gut. Der Neuling in der Runde – Roine Stolt – wirkt manchmal etwas
schüchtern und unsicher. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich in der Rolle des
Bassisten so richtig wohlfühlte. Man muss dazu aber auch sagen, dass es schwer
ist, jemanden wie Nick Beggs zu ersetzten. Im zweiten Teil des Konzertes kam
Roine weit besser zur Geltung und wirkte in der Rolle des Mike Rutherford
sicherer. Dennoch macht er insgesamt seine Sache gut. Mit dabei ist auch
weiterhin Nad Sylvan. Er ist – man mag von ihm halten was man will – inzwischen
schon ein integraler Bestandteil der Steve Hackett – Mannschaft geworden. Seine
Interaktionen mit dem Publikum sowie kleine Details, wie z.B. die Percussions
bei Can-Utility and the Coastliners machen ihn sehr sympathisch. Auch
gesanglich kann er überzeugen. Selbst das im Vorfeld angezweifelte ICARUS
ASCENDING bringt Sylvan mit Bravour rüber.
BILD UND TON
Das Bild der
DVD ist sehr ordentlich - Standardauflösung eben, die BlueRay liegt mir leider
nicht vor, sodass ich diese nicht bewerten kann. Vielleicht hätte man hier und
dort etwas mehr herausholen können, aber ich jammere jetzt auf sehr hohem
Niveau. Auch die Kameraeinstellungen sind optimal, keineswegs zu hecktisch
sondern so angepasst, dass man das Geschehen auf der Bühne gut mit verfolgen
kann. Der Sound an sich ist sehr klar, dynamisch und kraftvoll - keineswegs
breiig, sondern gut abgemischt. Besonders die Bässe kommen sehr gut rüber.
Verwirrend
ist die Angabe, dass das Konzert in 4.1 daherkommt – laut Informationen aus dem
Internet soll der Kanal für die Rear-Speaker ein einziger sein. Leider konnte
ich das Konzert bisher nicht in Surround-Sound testen, um dies zu überprüfen.
Vielleicht mag ja ein anderer Rezensent darauf hinweisen.
ZUSAMMENFASSUNG
Das war sie
nun, die neue Live-Veröffentlichung von Steve Hackett. Über Sinn und Unsinn
dieser Veröffentlichung lässt sich vielleicht streiten - gibt es doch
inzwischen recht viele Live-Veröffentlichungen der letzten Tourneen (sowohl
Solo als auch die Genesis-Revisited Tour). Einer sagte mal „Die Kuh wird weiter
gemolken“. Davon kann jeder halten was er will, nichtsdestotrotz wird uns mit
diesem Digipack ein tolles Konzert geboten. Die Band spielt auf Top-Niveau, die
Songs sind allesamt gut bis sehr gut und auch das Bild ist ordentlich. Interessant
war es zu erfahren, wie die neuen Songs seines aktuellen Albums im Livekontext
wirken. Alle Zweifel wurden mit diesem Konzertfilm ausgeräumt. Die neuen Songs
klingen live noch mal besser als im Original und das Publikum weiß das auch zu
würdigen. Vor allem WOLFLIGHT und LOVESONG
TO A VAMPIRE kommen live sehr gut
rüber.
Kritisieren
könnte man eventuell den recht hohen Anteil an Genesis-Songs, was aber
garantiert marketingtechnisch seine Gründe haben dürfte. Als Hackett-Fan
wünsche ich mir wieder verstärkt Solosongs in die Setlist, wie es vielleicht
auf der „Once above a time“ oder „Fire and Ice“ zu finden ist. Dennoch
bietet aber auch der Genesis-Teil viele Highlights wie Can-Utility and the Coastliners, THE CINEMA
SHOW
oder THE MUSICAL BOX. Und
das abschließende FIRTH OF FITH sowieso über alle Zweifel erhaben. Welcher
von den beiden Teilen jetzt besser ist, lässt sich schwer sagen. Ich tendiere
zum Hackett-Soloteil, da dort viele Songs gespielt werden, die ich einfach liebe.
Allem in allem ist es aber ein sehr abwechslungsreiches Konzert. Insgesamt ist
dieses Box-Set eine lohnenswerte Investition (und Ergänzung!) für alle Hacketteers,
sowie für alteingesessene Genesis-Fans der Prog-Phase.