Sonntag, 20. September 2015

Steve Hackett live in Hamburg (September 2015)


Acolyte To Wolflight with Genesis Revisited

Freitagnachmittag, ich sitze im Zug nach Hamburg, vor mir liegt eine mehr als vierstündige Fahrt mit verschiedenen Regionalbahnen und freue mich schon sehr auf das mir bevorstehende Konzert. Im Rahmen seiner Herbst-Tour 2015, die unter dem tollen Namen Acolyte To Wolflight with Genesis Revisited läuft, machte Steve Hackett auch am 11. September 2015 in der Hamburger Laeiszhalle halt. Als großer Hackett-Fan war meine Vorfreude entsprechend groß und fieberte schon Wochen vor dem Ereignis dem entgegen. Die Hamburger Laeiszhalle ist ein altes, traditionsreiches Konzerthaus. Mit einer prachtvollen Außerchitektur wirkt das Gebäude Johannes-Brahms-Platz eher wie ein Ort für Opern und Symphonien anstelle eines Rockkonzertes. Auch das Innere der Halle wirkte mit seinen roten Sitzen, der kunstvollen Gestaltung und einer großen Orgel sehr würdevoll und erhaben. Der große Saal nimmt über 2000 Zuschauerplätze auf, und ich war überrascht, dass der Saal an diesem Abend üppig gefüllt war – inklusive den Sitzen auf den oberen Rängen. An dieser Stelle möchte ich mich noch ein Mal beim Deutschen Genesis Fanclub it für die Ticketaktion bedanken, so bekamen wir Top-Sitzplätze. Die Bühne war recht überschaubar, nicht sehr groß und dadurch wirkte alles viel gemütlicher. Das Publikum wirkte vor dem Konzert sehr gefasst und man merkte nach Überschreiten der 20 Uhr-Marke regelrecht, wie die Spannung stieg.

DAS KONZERT

Um kurz nach 20 Uhr ging es dann auch los. Das Konzert dauerte gute 3 Stunden, inklusive einer 20 minütigen Pause. Die erste Hälfte bestand ausschließlich aus Hackett-Solosongs, nach der Pause wurde dann ein Genesis-Block gespielt. Die Setlist war dieselbe wie auch schon in Stockholm und bestand aus folgenden Songs:

Set 1:
Spectral Mornings
Out of the Body
Wolflight
Every Day
Love Song to a Vampire
The Wheel's Turning
The Steppes
Loving Sea
Star of Sirius
Ace of Wands
A Tower Struck Down
Clocks - The Angel of Mons
Shadow of the Hierophant (instrumental only)

Set 2:
Get 'em Out by Friday
Can-Utility and the Coastliners
After the Ordeal
The Cinema Show
Aisle of Plenty
Hairless Heart
The Lamb Lies Down on Broadway
The Musical Box

Encore:
Icarus Ascending
Firth of Fifth

Mir war die Setlist wage bekannt – das ließe sich dank meiner Neugierde doch nicht vermeiden, war aber des öfteren positiv überrascht, welche Songs Steve an diesem Abend spielte. Es war ein recht kontrastreiches Programm, bestehend aus intensiven und ruhigeren Songs. Alleine der Anfang war grandios. Schon zu Beginn spielte die Band den Klassiker Spectral Mornings – eine ungewöhnliche und mutige Wahl, denn dieses Instrumental dürfte *DAS* Hackett-Stück schlechthin sein. Ob dieses Stück als Opener gut geeignet ist oder nicht, ist sicher Ansichtssache. Dennoch war es ein wundervoller Start und sofort war die Gänsehaut bei mir da. Danach gab es mit Out of the Body und Wolflight zwei Songs seines aktuellen Albums und besonders hier war es interessant zu erfahren, wie diese neuen Songs live wirken. Erfreulicherweise ist zu sagen, dass diese ohnehin fantastischen Songs live noch mal ein ganzes Stück dazugewonnen haben. Anschließend begrüßte uns alle Steve in seiner gewohnt freundlichen und offenen Art. Mit EVERY DAY folgte dann ein weiterer Kracher. Da ich diesen Song liebe und schon unendliche Male gehört habe, war dies natürlich ein ganz besondere Moment für mich und sicher ein erstes Highlight. Auf hohem Niveau ging es dann weiter mit LOVESONG TO A VAMPIRE, welches mit seinen ausufernden Chören im Refrain einem „Court of the Crimson King“ nicht unähnlich ist. Es folgte dann The Wheel's Turning mit seinem ulkigen Anfang („There is no Schadenfreude here“). Auch dieser Song war live unglaublich gut. THE STEPPES von seinem 1980er Album Defektor folgte danach. Da dieses Stück durch seine tiefen Bässe der Basspedale lebt, vibrierte der Boden regelrecht – das war schon eine beeindruckende Präsentation. Bei LOVING SEA wurde es akustisch. Steve wechselte zur 12-saitigen Gitarre, Gary O’Toole kam von seinem Schlagzeug hervor und gesellte sich neben Steve auf die Bühne, wo er zusammen mit Rob Townsend für Percussions zuständig war – mal etwas anderes, aber sehr gut. Durch das geschickte Einstreuen solch ruhiger Song in mitten eines recht intensiven Programms, konnte sich das Publikum erholen und entspannen. Jedenfalls sorgte der Song für einen guten Kontrast. Nach diesem leichten Stück kam erstmals Nad Sylvan auf die Bühne und sang STAR OF SIRIUS, und hier konnte er sofort überzeugen. Er machte seine Sache gesanglich sehr gut und stand einem Phil Collins in nichts nach.

Zum Ende des ersten Blocks gab es noch einmal drei essentielle Stücke aus seinem Solowerk. Den Anfang machte hier ACE OF WANDS, welches ohne Vorankündigung direkt von STAR OF SIRIUS aus über ging. Dieses farbenfrohe Instrumental darf natürlich bei keinem Hackett-Konzert fehlen, und auch diese Mal war es ein echtes Highlight. Die Band uns Steve selbst zelebrierten diesen Song mit einer unglaublichen Lebensfreude, das es einfach Spaß macht, dem zuzuhören. Das anschließende Ticken der Uhren kündigte das dunkle, wuchtige CLOCKS an. Durch das Verwenden von reichlichen Mellotron-Streichern und Basspedalen, wird hier eine bedrohliche Stimmung erzeugt, welche sich dann schlagartig entlädt. Hervorzuheben ist hier wieder einmal Gary O’Toole, denn sein Drumsolo am Ende von CLOCKS ist grandios. Zum Schluss folgte dann noch der Instrumentalteil von SHADOW OF THE HIEROPHANT, und hier gab die Band noch mal alles. Großartig präsentierten uns die fünf Musiker dieses Stück und am man wollte man eigentlich, das es damit nicht aufhört. Nach diesen großartigen Stücken war man regelrecht außer Atem, aber auch sehr zufrieden, denn der erste Teil des Konzertes bot uns ein abwechslungsreiches Programm. Neben den fünf Stücken seines aktuellen Soloalbums Wolflight wurden die wichtigsten Stücke seines recht umfangreichen Oeuvres gespielt, sodass so gut wie jeder daran Gefallen gefunden heben darf.

Nach einer 20 minütigen Pause (die nach so einem umfassenden ersten Teil echt nötig war), fand sich die Band wieder auf der Bühne ein und präsentierte uns acht Stücke aus dem Genesis-Kosmos. Den Anfang machte hier Get 'Em Out By Friday. Das recht sperrige Stück überzeugte durch die vielen aufgeteilten Gesangparts, denn nicht nur Nad Sylvan, sondern auch Gary O’Toole und Steve Hackett selbst teilten sich hier den Gesang.
Erstes Highlight des zweiten Blocks war dann aber Can-Utility and the Coastliners – ein Song, welcher vielleicht wie kein anderer die Essenz von Genesis beinhaltet. Sofort war dieser Gänsehautmoment während des Instrumentalteils da, auch wenn das Mellotron vielleicht etwas zu leise war (später dazu mehr…). Das Stück konnte live überzeugen und wurde auch vom Publikum verdienterweise gebührend gewürdigt. Anschließend wurde es interessant….
Richtig gespannt war ich nämlich auf den Dreiteiler, bestehend aus AFTER THE ORDEAL, THE CINEMA SHOW und AISLE OF PLENTY. Ersteres wurde in einer erweiterten Version gespielt, als es auf Selling England by the Pound zu finden ist. Hier konnte Neuling Roine Stolt an der E-Gitarre mit einem schönen Solo brillieren und zeigen, dass auch er ein guter Gitarrist ist. Es folgte THE CINEMA SHOW, welches sich weitestgehend an das Original hielt. Tonys Synthie-Solo wurde von Roger King gespielt, mit Unterstützung von Rob Townsend an den Blasinstrumenten. Steve spielte Mike Rutherfords Rhythmusgitarren-Part, während Roine Stolt an der Doubleneck-Gitarre den Bass bediente. Auch hier war es schön Gary beim Schlagzeug-Spiel zuzusehen. Es ging nahtlos in AISLE OF PLENTY über, in welchem Nad Sylvan allerdings nicht wie im Original die skurrilen Supermarkt-Angebote sang. Man war dennoch gut unterhalten. Vielleicht hatte man THE CINEMA SHOW anders arrangieren können, sodass Tonys Soloteil am Synthesizer von Steve mit der Gitarre gespielt worden wäre, allerdings jammere ich jetzt auch auf extrem hohem Niveau. Für die nötige Verschnaufpause sorgt dann im zweiten Block dieses Mal HAIRLESS HEART von der „The Lamb…“ – ein wundervolles Kleinod, und es war mal spannend dieses Instrumental live zu erleben. Wir bleiben beim selben Genesis-Album denn nun folgt dessen Opener…
Über die Wahl von THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY lässt sich sicher streiten. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht wirklich ins Set passte. Man hätte vielleicht dann doch einen Song nehmen sollen, wo es einen direkten Bezug zu Steve gibt, wie beispielsweise CARPET CRAWLERS oder FLY ON A WINDSHIELD. Dennoch wurde das Stück solide dargeboten. Anschließend folgte mit THE MUSICAL BOX dann ein Klassiker, ein richtiges Highlight. Auch hier wird wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Rolle von Rob Townsend doch ist. Durch das Einstreuen der Blasinstrumente wird dem Song das nötige I-Tüpfelchen verpasst. Spätestens zum Ende des Songs hat die Stimmung im Saal ihren Maximalstand erreicht. Ich bin einfach nur begeistert von dieser Performance - THE MUSICAL BOX war wahrscheinlich DER Höhepunkt an diesem Abend. Die anschließenden Standing Ovations waren absolut berechtigt! Danach war der reguläre Teil des Konzertes vorbei. Die Band verlies die Bühne, aber nur vorzeitig….
Als Zugabe des Konzertes wurden noch ICARUS ASCENDING und FIRTH OF FIFTH gespielt. Über ersteres war man ja im Vorfeld schon informiert, dass es gespielt werden sollte. Alle Welt hat sich gefragt, wie dieses Juwel mit Nad Sylvans Stimme wohl klingen mag. Es ist natürlich schwer, jemanden wie Richie Havens zu ersetzten, aber ich bin der Meinung, dass sich diese Liveversion vom Original nicht verstecken muss. Bevor die Band dann wirklich die Bühne verließ, gab es mit FIRTH OF FIFTH noch ein letztes Highlight und auch bei diesem Song war die Stimmung einfach grandios. Sowohl Band, als auch Publikum waren zum Schluss sehr gut drauf. Das überragende Gitarrensolo war wie immer zum Niederknien und dürfte auch den letzten Nörgler zufriedengestellt haben. Anschließend war das Konzert dann wirklich zu Ende. Wie schnell doch so ein Abend voller Musik vorbei sein kann…

DIE BAND

Steve Hackett – electric and acoustic guitars, lead vocals and backing vocals
Roger King – keyboards,
programming
Rob Townsend – sax, flute,
tin whistle, clarinet, additional keyboards, percussions, backing vocals
Gary O'Toole – drums, percussions, vocals and backing vocals
Roine Stolt – bass guitar, double-neck guitar (12 string guitar and bass), electric guitar, backing vocals
Nad Sylvan – lead vocals, percussions

Die Band spielte an diesem Abend auf gewohnt hohem Niveau und war stets gut gelaunt. Steve Hackett wirkte wie immer stets freundlich, offen und dem Publikum zugewandt. Man merkt dem Altmeister einfach an, dass er Spaß an seiner Sache hat. Ab und zu sprach er zum Publikum, ließ aber ansonsten seine Gitarre sprechen. Seine Gitarrenkünste sind ohne Zweifel erhaben und er spielte an diesem Abend alle Songs mit einer Leidenschaft, die seinesgleichen sucht. Hervorzuheben seien da EVERY DAY, Love Song to a Vampire und SPECTRAL MORNINGS. Ein weiterer Musiker, der an diese Abend wahnsinnig viel Spaß gehabt haben dürfte, ist Gary O'Toole. Er machte seine Sache sehr gut, wirkte locker und lässig. Es hat einfach Spaß gemacht ihm zuzuschauen. Besonders SHADOW OF THE HIEROPHANT und das Drumsolo am Ende von CLOCKS machten deutlich, dass Gary ein Vollblutmusiker ist. Zu erwähnen sei auch die Rolle von Rob Townsend, der schon seit vielen Jahren dabei ist und zu einem essentiellen Bestandteil der Band wurde. Die Einbindung der verschiedenen Blasinstrumente gab den Songs das gewisse etwas. Aber auch Roger King an den Keyboards machte seine Arbeit wie gewohnt (wenn man von einem kurzen Verspieler bei FIRTH OF FIFTH absieht) sehr gut. Der Neuling in der Runde – Roine Stolt – wirkte manchmal etwas schüchtern und unsicher. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich in der Rolle des Bassisten so richtig wohlfühlte. Man muss dazu aber auch sagen, dass es schwer ist, jemanden wie Nick Beggs zu ersetzten. Im zweiten Teil der Show kam Roine weit besser zur Geltung und wirkte in der Rolle des Mike Rutherford sicherer. Dennoch macht er insgesamt seine Sache gut. Mit dabei ist auch weiterhin Nad Sylvan. Er ist – man mag von ihm halten was man will – inzwischen schon ein integraler Bestandteil der Steve Hackett – Mannschaft geworden. Seine Interaktionen mit dem Publikum sowie kleine Details, wie z.B. die Percussions bei Can-Utility and the Coastliners machten ihn mir sehr sympathisch. Auch gesanglich konnte er überzeugen, auch wenn er an manchen Stellen etwas textunsicher war. Selbst das im Vorfeld angezweifelte ICARUS ASCENDING brachte Sylvan mit Bravour rüber.

DER SOUND

Der Sound war stets „fett“, besonders die Bässe kamen sehr gut rüber. Auch war das Konzert nicht zu laut, sodass man anschließen keine betäubten Ohren zu fürchten hatte. Allerdings war der Sound manchmal etwas zu breiig. Besonders die Keyboards kamen manchmal etwas wenig zur Geltung. Besonders auffällig war dies bei Can-Utility and the Coastliners, da gerade hier das Mellotron eine wichtige Rolle einnimmt. Auch hätte der Gesang etwas differenzierter sein können, er ging manchmal im Soundbrei etwas unter. Aber das ist sicher Lamentieren auf hohem Niveau, denn ansonsten gab es wenig zu bemängeln. Das Konzert soll ja selbst im Surround-Klang gespielt worden sein, wovon ich in der zweiten Reihe allerdings nicht allzu viel mitbekam, was aber auch nicht sonderlich schlimm war.

ZUSAMMENFASSUNG

Alles in Allem war es ein toller, abwechslungsreicher Abend. Meine doch recht hohen Erwartungen wurden zu keinem Zeitpunkt enttäuscht. Erstaunlicherweise verging die Zeit doch recht schnell und man mochte sich nach der Zugabe von der Band und Steve ungern trennen. Die symphytische Band verabschiedete sich dann unter großem Applaus und dann war das Konzert leider schon vorbei. Es war ein grandioses Ereignis, ein toller Abend! Welcher von den beiden Teilen jetzt besser war, lässt sich schwer einschätzen. Ich tendiere zum Hackett-Soloteil, da dort viele schöne Songs gespielt wurden, die ich einfach mag. Was soll ich noch groß sagen? Ich werde dieses Konzert jedenfalls noch lange in sehr guter Erinnerung behalten schwelgen… Danke Steve (und Band)!