Mittwoch, 23. November 2016

AnnenMayKantereit und Freunde: Live in Berlin (2016)



Der aufstrebende Stern am Deutsch-Pop-Rock-Himmel – jetzt Live zu hören

AnnenMayKantereit sind derzeit so etwas wie der aufstrebende Stern am Deutsch-Pop-Rock-Himmel. Drei junge Männer, alle aus Köln, machen seit 2014 Musik und wurden damit immer populärer. Ihr aktuelles Album „Alles nix konkretes“ (18. März 2016) kann sich immer noch in den deutschen Albumcharts behaupten, und auch live ist die Band gefragt wie lange nicht mehr. Das ein Livealbum irgendwann folgen sollte, war abzusehen und ist eine Konsequenz aus dem bahnbrechenden Erfolg. Henning May, der Sänger und Pianist der Band ist mit seiner Reibeisenstimme, die an Rio Reiser erinnert, das Erkennungsmerkmal schlechthin. Im Frühjahr 2016 gingen die Jungs auf Tour. Die Band spielte am 19. August in der Zitadelle in Spandau dann das bisher größte Konzert ihrer Bandgeschichte. Mit dabei natürlich waren viele Freunde, sodass man sich entschlossen hat, das Konzert aufzuzeichnen. Ende Oktober wurde das Berlin Konzert dann in einer Doppel-Vinyl-Edition veröffentlicht. Mit dabei ist natürlich auch eine CD!

Ich habe mir mein Exemplar nicht im Amazon-Shop, sondern im AnnenMayKantereit-Shop/Krasser-Stoff besorgt. Die Erlöse gehen übrigens an die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl! Wie gewöhnt, enthält das Album keine weiteren Gimmicks, sondern besinnt sich auf das Wesentliche – schlichte Eleganz eben. Beide LPs haben ein Gewicht von je 140 g. Optisch machen die Vinyls einen guten Eindruck, die Pressqualität geht ebenso in Ordnung.

Kommen wir jetzt nun zum eigentlichen Anliegen – der Musik. Die Track-Liste sieht folgendermaßen aus (Angaben hier für die Vinylschallplatten, wobei A, B und C, D jeweils eine LP darstellen):

A1       Wohin Du Gehst       
A2       Es Geht Mir Gut       
A3       What He Wanted The Most  
A4       Jeden Morgen            
A5       Mir Wär' Lieber, Du Weinst
B1       Neues Zimmer           
B2       James
B3       3.Stock          
B4       Bitte Bleib     
C1       Du Bist Überall         
C2       Nicht Nichts  
C3       Das Krokodil
C4       Come Together          
C5       Oft Gefragt   
D1       Barfuß Am Klavier   
D2       Länger Bleiben          
D3       Pocahontas    
D4       Hurra Die Welt Geht Unter (Featuring – K.I.Z.)     
D4       21,22,23

Die Setlist des Konzertes ist sehr ausgewogen, man bekommt mit dem Album viele bekannte Songs, darunter auch „Hurra die Welt geht Unter“ vom gleichnamigen K.I.Z.-Album oder „Come Together“ von den Beatles.
Die Band beginnt das Konzert mit dem Song „Wohin Du Gehst“ – eine gute Wahl, denn es wirkt als perfekter Einstieg. Mir gefällt ja der Text sehr, der voll von Schmerz und bittersüßer Ironie strotzt. Selbiges könnte man sicher auch über den nachfolgenden Song „Es Geht Mir Gut“ schreiben. Dieses Lied ist angenehm rockig und war sehr lange mein favorisierter AMK-Song. Man achte nur mal auf die tolle Bass-Spur, die lockeren Gitarrenriffs und das kurze Gitarrensolo, welches dann quasi noch das „i-Tüpfelchen“ des ganzen ist. Yeah Baby! Diese zwei Lieder sind ein toller Einstieg, und zeigen eindrucksvoll, dass AMK live viel besser wirken im Studio.
Als nächstes wird der erste „Freund“ begrüßt – es ist Ferdinand Schwarz an der Trompete, mit welchem der erste englische Song „What He Wanted the Most“ gespielt wird. Die Band spielt einen Song auf Englisch, der dazu noch einer ihrer besten ist! Hennings Stimme kommt hier richtig gut zur Geltung. Mit „Jeden Morgen“ folgt die erste Ballade.  Auch wenn manche den Text als vielleicht zu platt („…Ich würd‘ viel lieber von Dir träumen…“) empfinden, lädt das Lied doch zum Träumen und Verweilen ein. „Mir wär' lieber, du Weinst“ geht in die gleiche Richtung wie auch „Wohin Du Gehst“, ist bloß nicht so rockig. Das nachfolgende „Neues Zimmer“ lebt stark von der Atmosphäre, vom Songtext. Anfangs mochte ich den Song nicht so sehr, inzwischen ist er aber ganz angenehm und klingt auch live gut. Weiter geht’s mit einem weiteren Lied auf Englisch. „James“ ist ein traditioneller, von AnnenMayKantereit interpretierter Song. Auch hier zeigt sich, dass Hennings markante Stimme auch sehr gut bei englischsprachigen Songs überzeugen kann. Überhaupt hat der Typ eine richtig tolle Stimme!

Der nächste Song „3. Stock“ geht dann wieder in eine ganz andere Richtung. Auf einmal wird es romantisch-melancholisch, gar schwermütig bis depressiv. Auf dem Album „Alles nix konkretes“ war dieses Liedchen immer mein heimlicher Favorit. Es ist irgendwie so etwas wie eine Herzschmerz-Ballade – aber keineswegs eine flache, sondern zutiefst aufrichtige! Als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe, bekam ich sofort eine Gänsehaut und feuchte Augen. Dieser Song geht dermaßen unter die Haut – er strotzt nur voller Sehnsucht und Melancholie. Solche Musik ist einfach Balsam für die Seele. Meine Befürchtung war aber, wie er wohl live klingen mag und ob der Song live auch wirkt. „3. Stock“ war für mich eher immer ein Song für die Kammer, wo er mit einem guten Rotwein gehört wird. Das Publikum hält sich gottseidank dezent zurück, aber trotzdem ich bin der Meinung, dass man dieses zerbrechliche Lied lieber nicht live spielen sollte. Die Band bringt diese wunderbare Ballade nichtsdestotrotz hervorragend rüber.
Das nachfolgende „Bitte bleib“ ist dann wieder was ganz anderes. Es ist sowas wie ein Anti-Liebeslied, das von dieser herrlichen bittersüßen Ironie und von Schmerz geprägt ist. Sänger Henning hat in seinen Texten garantiert vieles autobiographisch behandelt. Auch hier wird die Band von Ferdinand Schwarz an der Trompete begleitet.
Das Smartphone auf dem Konzert – wir kennen das Problem, wen die Mehrheit nur noch mit ihren Handys beschäftigt ist, um Fotos oder Aufnahmen zu machen. Mit dem Song „Du bist überall“ kritisieren AnnenMayKantereit eben jenes Problem auf ihrer eigenen Art und Weise. Mit „Nicht nichts“ präsentiert die Band wider ihrer typische „tanzbare Melancholie“, bevor der Tour-Song „Das Krokodil“ gespielt wird. Live kommt der Song viel besser rüber, als auf dem Album. Anfangs fand ich das Lied etwas nervig, dann wurde es aber doch zum Ohrwurm. Es folgt der Beatles-Klassiker „Come together“. Die Band hat ja des Öfteren angemerkt, dass sie das Lied mögen. Auf YouTube gibt es auch ein Cover-Video zu sehen. Die Band interpretiert den Song verdammt gut!
Richtig Gänsehaut hab ich dann natürlich wieder bei „Oft gefragt“ bekommen. Es ist auch schön zu hören, wie das Publikum mitsingt, ehrliche und handgemachte Musik ist einfach toll. Ich kann das Lied gar nicht oft genug hören – Hennings Stimme und sein Klavierspiel würden mir vollkommen ausreichen. Als nächstes kommt dann mein persönliches Highlight - das berühmt berüchtigte „Barfuß am Klavier“. Dies ist eines der besten auf Deutsch gesungen Liebeslieder die ich in letzter Zeit kennen lernen durfte, weswegen es vom Publikum natürlich auch gefeiert wird. Der Text ist geradezu sehnsüchtig und herzerweichend („… Ich träum dabei von Dir…“). Hinzu kommt noch der schöne, wohlige Klang des Klaviers und fertig ist der Ohrwurm des Jahres 2016! Ich konnte den Song eine Zeit lang gar nicht oft genug hören. Weiter geht es mit „Länger bleiben“, mit leicht verändertem Text und in einer insgesamt rockigeren Version als auf dem Album. Mit „Pocahontas“ folgt quasi schon ein Klassiker, der ebenfalls ordentlich rockt und Spaß macht.
Die nächsten Gäste sind K.I.Z. die zusammen mit AnnenMayKantereit den Titelsong ihres aktuellen Albums „Hurra die Welt geht Unter“. Auch wenn ich kein sonderlicher Freund von Hip-Hop bin, finde ich an dem Song mit seinem postapokalyptischen Text durchaus Gefallen. Den Abschluss des Livealbums macht dann „21, 22 ,23“, welches mit seinem schmunzelnden Text zu gefallen weiß, ehe das Konzert an dieser Stelle zu Ende ist.

Das war es also, das erstes Livealbum von AnnenMayKantereit und gelichzeitig das bisher größte Konzert ihrer Bandgeschichte. Live sind AnnenMayKantereit eine Wucht. Auf der Bühne lassen May und seine Kollegen Christopher Annen, Severin Kantereit und Bassist Malte Huck die Sau raus – und das klingt verdammt gut! Im Gegensatz zum Studioalbum, welches meiner Ansicht nach viel zu vorsichtig produziert wurde (siehe meine Rezension dazu), können die Musiker auf ihrem Livealbum die Energie und Dynamik einfangen, die sie einfach so erfolgreich machen. Die ganze Atmosphäre ist einfach herrlich, was natürlich dem Publikum zu verdanken ist. „Live in Berlin“ ist ein schönes Livealbum, welches die Lust- und Leidenschaft der Band, live zu performen, ausgezeichnet wiedergibt. Von mir gibt es daher 5 von 5 Sternen. Gut gemacht, Jungs!

Kleine Anmerkung noch von mir: Wenn ihr PRO ASYL unterstützen wollt, kauft das Album im Online-Shop von AnnenMayKantereit. Ich bin mir nicht sicher, ob die Erlöse der Amazon-Einkäufe auch an die Menschenrechtsorganisation gehen.

(Wenn ihr Fragen, Anmerkungen oder Kritik bezüglich meiner Rezension habt, dürft ihr dies gerne in den Kommentaren kundtun.)



(Eigene Fotos)


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