Montag, 2. Mai 2016

HAKEN: Affinity (2016)

So muss Prog im Jahr 2016 klingen!

HAKEN zählen sicher zu den interessantesten Bands im Prog-Genre der letzten Zeit. Man kann sie sogar durchaus als neuen aufsteigenden Stern am Prog-Metal/Prog-Rock – Himmel bezeichnen. Ich hab Sie 2014 eher zufällig entdeckt, weil mir seinerzeit Amazon.de ihr letztes Album „The Mountain“ (2013) ständig vorgeschlagen hatte. Eigentlich bin ich ja kein Freund von Blindeinkäufen, aber DAS war damals ein echter Glückstreffer. Dieses Album war (und ist es immer noch!) sehr stark, gefühlvoll, kreativ und vor allem abwechslungsreich – für manche gar schon zu abwechslungsreich. Dagegen sahen selbst Dream Theater recht alt aus. Die EP „Restoration“ (2014) sollte man in diesem Zusammenhang auch erwähnen – war doch dieses Minialbum und Appetithäppchen auf die möglicherweise nächste Großtat ebenfalls sehr facettenreich. Dementsprechend waren meine Erwartungen an den nun vorliegenden Nachfolger „Affinity“, der wieder bei InsideOut Music erscheint, sehr hoch. Die große Frage: Wie mag es denn nun klingen? Gitarrist Charlie Griffiths machte mich im Vorfeld durch Aussagen, dass man sich bei den Aufnahmen des neuen Albums von Alben wie 90125 von Yes (1983), Toto IV (1982) oder Three of a Perfect Pair von King Crimson (1984) inspiriert haben lasse, noch neugieriger. Geht es jetzt etwa in die 80er Jahre? Zeichnete sich doch vor allem der Vorgänger „The Mountain“ stark durch Gentle Giant – Einflüsse aus. Nun ist man also im nächsten Jahrzehnt gelandet. Dazu passen auch das Albumcover sowie die ganze Aufmachung des neuen Albums. Die von mir erworbene Limited Edition sieht sehr retro aus. Man fühlt sich plötzlich in das Ende der 80er Jahre versetzt, als Computer nach und nach unsere Welt eroberten und CDs das Nonplusultra waren. Lustige Details: Zum einem wird das Compact Disc – Logo auf der Vorderseite des Covers schon verwendet und zum anderem taucht das gute alte, mysteriöse DDD wieder auf. Soll heißen, es wurde digital aufgenommen, digital gemischt und digital produziert. Auch das war Ende der 80er Jahre ein Highlight. HAKEN möchten absichtlich diesen 80er – Style verwenden. Das Mediabook tut sein übriges und ist mit den vielen Illustrationen ebenfalls im Retro-Stil der 80er Jahre gehalten. Sehr schick! Gut, soviel zum Äußeren. Doch wie mag das neue Album nun klingen? Wer hat welche Songs geschrieben? Wer hat alles mitgewirkt und wer hat das Album produziert? Als Produzent wurde wieder Jens Bogren engagiert, welcher auch schon für Opeth, Symphony X oder James LaBrie (Dream Theater) tätig war.

Die Standard-CD enthält folgende Songs (Insofern die 2CD-Version gekauft wurde, gibt es auf der zweiten CD die instrumentalen Versionen (!) der Songs):

1)         affinity.exe                 [1:24]
2)         Initiate                        [4:16]
3)         1985                           [9:09]
4)         Lapse                          [4:44]
5)         The Architect              [15:40]
6)         Earthrise                     [4:48]
7)         Red Giant                   [6:06]
8)         The Endless Knot        [5:50]
9)         Bound by Gravity        [9:29]

(All music and words written by Haken.)

Wie man anhand der Credits erkennen kann, waren alle Musiker der Band am Kompositionsprozess des Albums gleichberechtigt beteiligt. Daneben wirkten auch zwei Gastmusiker mit. Im Detail waren das:

HAKEN:

  • Ross Jennings – Vocals
  • Diego Tejeida – Keyboards and Sound Design
  • Richard Henshall – Guitar
  • Charlie Griffiths – Guitar
  • Conner Green – Bass guitar
  • Raymond Hearne – Drums

Guests:

  • Einar Solberg – Additional Vocals on „The Architect“
  • Pete Rinaldi – Acoustic Guitar on „Bound of Gravity“

Eröffnet wird das Album vom Opener und Titelsong „Affinity.exe“, welcher aber lediglich ein Intro zum Nachfolgenden „Initiate“ ist. Dieser Song war schon im Vorhinein samt Musikvideo verfügbar. Es ist ein typischer Prog-Metal Song, anfangs recht unspektakulär aber dann doch ganz nett anzuhören. Konnte mich das erste Lied noch nicht wirklich überzeugen, so schaffte es dann aber der nachfolgende Longtrack „1985“. Der Name deutet es schon an – es ist eine Reminiszenz an die guten alten Achtziger. Dies hört man sofort heraus. Elektrische Drums (Drumsamples?) und typische 80er-Jahre-Keyboardsounds machen sich sofort bemerkbar. Alleine das abwechslungsreiche Intro zeigt offensichtlich, wie HAKEN ihren Sound verändert haben. Mit zunehmender Länger nimmt der Song an Fahrt auf und steigert sich gegen Ende in ein wahres Prog-Inferno. Die Band kann hier das erste Mal ihre Stärken ausspielen. „1985“ ist das erste Highlight des Albums. Meine Empfehlung: laut hören! Moderner wird es wieder mit dem kurzweiligen „Lapse“. Ruhige und laute Passagen wechseln sich ab, inmitten des Songs gibt es einen stimmigen Instrumentalteil der Spaß beim Zuhören macht. HAKEN zeigen, dass man auch gekonnt Prog in nicht mal 5 Minuten hinbekommen kann.
Das darauffolgende „The Architect“ ist das längste Lied des Albums. Großartige Melodien eröffnen den Song, der Refrain sorgt für den nötigen Bombast und das Schlagzeug-Spiel von Raymond Hearne sucht seinesgleichen. Ab der Mitte des Songs gibt es eine brilliante Gitarrenlinie, ehe der Höhepunkt erreicht wird. Einar Solberg von der norwegischen ProgMetal Band Leprous hat hier seinen kurzen Gastauftritt. Mit seinen Growls (dauern gerade mal eine Minute) gibt er dem Song die nötige Schärfe und Aggressivität. „The Architect“ ist zweifelsfrei ein weiteres Highlight, wenn nicht gar das beste Stück des Albums. Nach dieser intensiven Viertelstunde darf es mit „Earthrise“ gerne etwas seichter werden. Dieses eingängige, fröhliche Pop-Rock Liedchen ist im Gegensatz zum groben Rest am Eingängigsten, ohne aber in zu flachere Gewässer abzudriften. In einer gekürzten Fassung, könnte ich mir den Song auch durchaus im Radio vorstellen. Jedenfalls ist „Earthrise“ die perfekte Verschnaufpause und macht einem für das nächste Großtat fit. Diese folgt in Form des ArtRock-Songs „Red Giant“. Auch hier präsentieren HAKEN ihren modernen Sound. Die erste Hälfte des Liedes ist recht ruhig gehalten, ab der zweiten Hälfte wird es dann vielseitiger. Dort wo „Red Giant“ aufgehört hat, macht „The Endless Knot“ weiter. Vertrackte Rhythmen, brachiale und dann wieder schöne Gitarrenläufe und ein grandioses Bassspiel zeigen, dass HAKEN trotz manch ruhiger Songs immer noch anspruchsvollen progressiven Metal spielen können. Zum Schluss folgt noch ein weiterer Longtrack namens „Bound by Gravity“. Dieser steht wieder im Kontrast zum vorherigen Song. Der Song harmonisch, atmosphärisch, melancholisch und beruhigend. Ein schöner und versöhnlicher Schluss. Und ehe man sich versieht ist eine gute Stunde vorbei und das Album zu Ende. Es hinterlässt definitiv einen ausgezeichneten Eindruck.

Allen Fans empfehle ich auch die 2-Disc-Version, welche zusätzlich die instrumentalen Varianten der Songs beinhaltet. Es ist eine ganz andere Erfahrung ein Album komplett instrumental zu hören. Die Songs eigenen sich durchaus dafür. Im Nachhinein hätte ich mir auch gerne eine Instrumental-CD zum Vorgängeralbum gewünscht.

Die Musiker

…hatten hörbar Spaß am Produzieren des Albums. Alle agieren auf gewohnt hohem Niveau und mit einer Leichtigkeit und Freude die seinesgleichen sucht. Ross Jennings Gesang ist wie gewohnt angenehm und warm, kann aber auch wenn nötig die nötige Härte verbreiten. Seine Gesangsleistung ist insgesamt sehr gut. Was den Sound angeht, so stechen die Keyboards von Diego Tejeida natürlich besonders hervor, ohne aber zu dominieren. Denn die beiden Gitarristen sorgen sehr wohl für die nötigen Kontraste. Die Gitarrenlinie zum Ende von „The Architect“ ist so z.B. große Klasse. Aber auch sonst ist das typisch gewohnte Gitarrenspiel von HAKEN wahrzunehmen. Erwähnt werden sollte auch Bassist Conner Green. Dieser zeigt auf „Affinity“ seine Stärken und spielt sehr schöne Basslinien. Mit ihm haben HAKEN definitiv ‚einen guten Fang gemacht‘.

ZUSAMMENFASSUNG

Zu allererst: Befürchtungen, das Album würde sich zu sehr an den Sound der 1980er Jahre orientieren, sind zum Glück unbegründet. Natürlich ist der Song „1985“ eine großartige Reminiszenz an die goldenen 80er, die restlichen Lieder sind allerdings von einem modernen, kraftvollen Sound gekennzeichnet (z.B. „Red Giant“). Das ganze Album bietet dem geneigten Hörer eine Menge zu entdecken. Es ist sehr abwechslungsreich und sprudelt teilweise nur voller Ideen. Wohlmöglich wird man auch hier zuerst von dieser Fülle an Ideen erschrocken sein. Wenn man das Album dann aber ein paar Mal durchgehört hat, wird man garantiert seine Freude daran habe, denn trotz mancher Veränderung im Sound sind es immer noch unverkennbar HAKEN die hier spielen. Meine Highlights sind „1985“, „The Architect“ und „Red Giant“. Vor allem hat mir das furiose „The Architect“ sehr gefallen. Die  restlichen Songs konnten aber auch (fast) ausnahmslos überzeugen. Das muntere „Earthrise“ sorgt für die nötige Pause inmitten des teilweise sehr intensiven Gefüges („The Architect“ und „Red Giant“) und „Lapse“ zeigt, wie man gekonnt Prog in nicht mal 5 Minuten hinbekommt. Einzig der erste Song „Initiate“ konnte noch nicht wirklich Anklang finden. Für mich ist das auch das schwächste Lied des Albums. Vielleicht kommt das aber noch. Auf jeden Fall ist die Anordnung der Tracks genau richtig inszeniert. Genau so muss es sein!

Man muss das Album definitiv mehrere Male durchgehört haben, um es vollständig erschließen zu können. Das Album benötigt und verlangt Zeit. Wenn einen das Album dann aber überzeugt hat, wird man garantiert seine Freude daran haben. Ja, „Affinity“ macht einfach Spaß. Vielleicht schafft es „Affinity“ ja, Album des Jahres zu werden. Auch wenn dieses noch relativ jung ist, haben die Jungs von HAKEN die Messlatte schon mal relativ hoch gelegt. So muss nämlich guter Prog im Jahr 2016 klingen!

Zum Schluss noch die Sache mit „The Mountain“:
Ich war anfangs natürlich auch etwas verunsichert, ob das neue Album nun vollständig überzeugen kann. Ihr letztes Album „The Mountain“ (2013) ist, wie erwähnt, immer noch eins meiner persönlichen Lieblinge mit einer nahezu perfekten Inszenierung. Kann das neue Album das Niveau halten oder gar übertreffen? Zu allererst noch einmal: Das Album ist definitiv anders! Man darf kein zweites „The Mountain“ erwarten. Der Sound ist moderner, vielleicht auch ein Stück weit elektronischer, geworden. „Affinity“ konnte mich mittlerweile voll überzeugen und an den hochgelobten Vorgänger anknüfen. Ja, beide Alben sind mich gleichwertig und gleichermaßen gut inszeniert. Nein, keine Sorge „Affinity“ ist trotz mancher Veränderungen immer noch 100 % HAKEN. Ich hoffe, dass die Jungs von HAKEN weiterhin ihren Spaß haben und noch weitere erstklassige Alben produzieren werden.

(Wenn ihr Fragen, Anmerkungen oder Kritik bezüglich meiner Rezension habt, dürft ihr dies gerne in den Kommentaren kundtun.)

Fotos (eigene Fotos):  





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