Mittwoch, 15. Juni 2016

Eloy: Colours (1980)



Neue Farben im teutonischen Progressive Rock

Anfang der 80er Jahre hatten es viele Prog-Rock–Bands, aufgrund des veränderten musikalischen Zeitgeistes, plötzlich schwer, zu überleben. Viele Bands wandelten sich und fingen an, kürzere und einfachere Songs zu schreiben. Eloy hatten den Übergang von den 70ern zu den 80ern im Vergleich dazu recht gut überstanden. Aber zuerst einmal die Geschichte dazu:

Im Herbst 1979 stand die nächste große Bandumstellung bei Eloy an. Keyboarder Detlev Schmidtchen und Schlagzeuger Jürgen Rosenthal, welcher auch seit „Dawn“ für die Texte verantwortlich war, verließen die Band. Schon während den Aufnahmen zum Vorgängeralbum „Silent Cries and mighty Echoes“ kam es zu Spannungen innerhalb der Band, die zuletzt während 1979 noch einmal tourten. Infolge dessen traten Schmidtchen und Rosenthal bei Eloy aus, um sich dem gemeinsamen Projekt „Ego on the Rocks“ zu widmen. Damit war die „legendäre Eloy-Besetzung“ dahin. Im Gegensatz zur ersten großen Bewährungsprobe 1975, war Mastermind Frank Bornemann dieses Mal aber nicht alleine. Bassist Klaus-Peter Matziol wollte bleiben, und dabei helfen, die neuen Eloy zu formieren. Man fand die neuen Musiker in Form von Hannes Arkona und Hannes Folberth. Gitarrist Hannes Arkona war bereits auf der Tour 1979 als Zweitgitarrist dabei und kannte den Pianisten Hannes Folberth. Dieser sollte wiederum die Lücke bei den Keyboards füllen. Jim McGillivray wurde neuer Schlagzeuger – und fertig war die neue Eloy-Besetzung. Schon im Frühjahr 1980 begannen die Aufnahmen zum neuen Album. Aufgrund des Zeitdrucks seitens der Plattenfirma, konnte dieses Mal allerdings kein pompöses, ausuferndes Konzeptalbum geschaffen werden, wie es die Alben vorher waren. Das neue Album trägt den Namen „Colours“ und das hört man auch! Es ist einerseits rockiger, aber andererseits auch bunter, lebendiger und fröhlicher als die vielleicht etwas zu düster und mystisch daherkommenden Vorgängeralben. Alle Songs sind unter 10 Minuten lang, das längste Lied dauert gerade einmal 07:20 Minuten. Auch verschwanden zum Großteil die ausufernden Instrumentalpassagen und atmosphärischen Keyboard-Flächen, dafür wurde alles etwas straffer und knackiger.

Auf dem Album befinden sich folgende Songs:

1.      Horizons                                        (Lyrics: Jim McGillivray)
2.      Illuminations                                (Lyrics: Jim McGillivray)
3.      Giant                                              (Lyrics: Sonja Brown)
4.      Impressions                                  (Lyrics: Sonja Brown)
5.      Child Migration                            (Lyrics: Jim McGillivray)
6.      Gallery                                          (Lyrics: Jim McGillivray)
7.      Silhouette                                     (Lyrics: Jim McGillivray)
8.      Sunset                                           (Lyrics: Jim McGillivray)

Die remasterte Version beinhaltet zusätzlich folgende Bonustracks:

9.      Wings Of Vision                           (Lyrics: Jim McGillivray)
10.  Silhouette (Single Edit)                 (Lyrics: Jim McGillivray)

Alle Songs wurden von Eloy geschrieben und arrangiert. Produziert wurde das Album in den Horus Sound Studios Hannover von Eloy und Frank Bornemann.

Die neu formierte Band besteht im Detail aus folgenden Musikern:


  • Frank Bornemann: Acoustic and Electric guitars, Lead vocals
  • Klaus-Peter Matziol: Bass guitars, Vocals
  • Hannes Arkona: Acoustic and Electric guitars
  • Hannes Folberth: Keyboards, Synthesizer and Piano
  • Jim McGillivray: Drums, Percussion and Lyrics (except tracks 3 and 4)


Weitere Musiker, die am Album beteiligt waren, sind:

  •  Edna and Sabine: Vocals on „Horizons“


Für die Songtexte wurde wieder der Schlagzeuger engagiert, mit Ausnahme des dritten und vierten Songs. Das Albumcover wurde von Winfried Reinbacher entworfen und gehört zu den schönsten Covern die ich kenne. Es zeigt auch, in welche Richtung die Songs gehen sollen. Thematisierten die Songs der zwei Vorgängeralben „Ocean“ und „Silent Cries and mighty Echoes“ meist recht dunkle Szenarien, geprägt von Weltuntergängen, Ende der Menschheit etc., so sind die Songs auf „Colours“ spürbar fröhlicher, munterer und naturverbundener.


Gleich im ersten Song werden diese Themen aufgegriffen. „Horizons“ brilliert durch Frauengesang und massiven Einsatz des Clavinets und hebt sich dadurch gleich zu Anfang des Albums deutlich ab. In dem von Jim McGillivray geschriebenen Text wird die Naturverbundenheit deutlich:

sunbeams dancing in your mind
blue larks embracing sunlight
lotus of petals glistening
cool shade of wise trees listening
dawn of light lies between silence
chased amid fusions of wonder
revealing corridors of time
pictures of redescending distance
love colours sent within us
our endless caress for freedom
dawn of light lies between silence
chased amid fusions of wonder
revealing corridors of time
pictures of redescending distance
love colours sent within us
our endless caress for freedom

Ich könnte mir dieses sphärische Lied immer wieder anhören. Es ist einfach wunderschön.

Das darauffolgende „Illuminations“ ist ein weiteres gutes Beispiel für die neuen Eloy. Die Sounds sind teilweise viel spaciger als auf den Vorgängeralben und kurze Gitarren-Riffs gesellen sich dazu. Insbesondere die Keyboard-Flächen wurden durch vielfältige Synthie-Sounds ersetzt. Durch die vielen E-Gitarren entsteht ein viel rockigerer Gesamtsound. „Giant“ fängt dagegen ganz in alter Eloy-Manier mit den atmosphärischen ARP-String-Flächen an, um dann in einen lockeren Rocksound zu münden. Immer wieder sind sehr schöne Melodiebögen aus Synthesizern und ARP-Strings zu hören, ehe der Song in einen von Keyboards getragenen Instrumentalteil übergeht, eh zum Schluss wieder Bornemanns vertraute Stimme erklingt. Allgemein muss man sagen, dass sich sein Gesang im Vergleich zu den Vorgängeralben (auf denen er teilweise sehr akzentuiert sang…) verbessert hat. „Impressions“ besticht durch ein sehr schönes Flötensolo, dessen Musiker allerdings nicht erwähnt wird, ansonsten ist dieses schöne kurze Lied recht kurzweilig. Anschließend folgt „Child Migration“ – der längste Song des Albums und mein Favorit. Ursprünglich wurde der Song im Jahr 1979 zum Anlass des „Jahr des Kindes“ komponiert. Tatsächlich findet man diese Version als Bonustrack der Neuauflage von „Silent Cries and mighty Echoes“. Die Album-Version auf „Colours“ unterscheidet sich allerdings deutlich von der ursprünglichen Version, da sich Bornemann dazu entschied, den Song komplett umzuschreiben. Der Text wurde auch fast vollständig verändert. Im Endeffekt entstand so ein ziemlich abwechslungsreicher Rocksong. Alleine das Intro fängt schon interessant an, ansonsten wechseln sich rockige Gitarrenriffs und sphärische Keyboard-Sounds immer wieder ab. Mit „Gallery“ folgt der in meinen Augen einzige Tiefpunkt des Albums. Das recht poppig daherkommende Lied mit einer Länge von 03:22 Minuten ist für meinen Geschmack viel zu hecktisch und auf Dauer einfach nur nervig. Zum Glück wird man mit dem nachfolgenden Song wieder entschädigt. „Silhouette“ fängt ganz wunderschön-dezent an und wirkt mit dem vielen Klavier und Clavinet fast schon klassisch. Auch hier ist der blumige und naturverbundene Songtext zu erwähnen:

she grew like the blossming oak tree
a fountain of magic spells
her mind was of sunshowered beauty
we once knew so well
her roots understanding of earth seeking silently
branches of arching embrace and serenety
flowers revealing the secret of her own mystery
her fruit offering endless desire for true love and harmony

Nach diesem farbigen Intro artet der Song allerdings in einen gradlinigen Rock-Song aus. Für Eloy-Verhältnisse geht dieser Song ziemlich nach vorn. Irgendwie erinnert mich das Lied an „Eye of the Tiger“ von Survivor, auch wenn dieses erst ein Jahr später erschien. Zum Ende von „Silhouette“ gibt es dann noch ein knackiges Gitarrensolo zu hören. Seinerzeit wurde das Lied auch als Single ausgekoppelt – ohne das schöne Intro. Das Abschließende Stück „Sunset“ ist wiederum rein instrumental und wirkt mit der Akustikgitarre und dem Synthesizer sehr sphärisch. Wie auch schon „Horizons“, schafft es der letzte Song einen bunten und sehr lebhaften Eindruck zu hinterlassen und eh Mann sich versieht, ist das Album vorbei. Mit einer Gesamtspieldauer von nur knapp 40 Minuten (ohne Bonustracks) ist es etwas kürzer als die vorigen Eloy-Alben.

Als Bonustracks gibt es zum einem das sehr kommerzielle „Wings of Vision“, welches sich deutlich vom gewohnten Eloy-Stil absetzt, sowie die erwähnte Single-Version von „Silhouette“.


ZUSAMMENFASSUNG

Eloy haben den Übergang in die 80er Jahre gut überstanden. „Colours“ beinhaltet sowohl kürzere und gradlinigere Lieder, als auch längere, verspieltere und komplexere Lieder. Insgesamt klingt das Album deutlich frischer als seine Vorgänger. Songs wie „Horizons“ und das abschließende Instrumental „Sunset“ sind in ihrer Art außergewöhnlich und wunderschön. Auffällig ist der hohe Anteil an elektrischen Gitarren, wodurch auch ein insgesamt rockigerer Eindruck entsteht. Weniger Symphonic-Rock, dafür mehr verspielter und farbenfroher Artrock. Die Songs sind spürbar fröhlicher und gelöster, auch wenn diese nicht als Ganzes im Kontext eines Konzeptalbums stehen. Ich würde es vielleicht mit „DUKE“ von Genesis vergleichen, welches zu selbiger Zeit erschien und seinerzeit sowohl Fans als auch Kritiker zufriedenstellte. „Colours“ ist jedenfalls in meinen Augen das letzte gute Eloy-Album, welches irgendwie noch den Sound der 70er Jahre einatmet, aber mit dem anderen Fuß schon in den 80ern steht. Jedenfalls kann man das Album immer wieder hören, es zählt auch zu meinen meistgehörtesten Eloy-Alben. Ich bin mit dem Endergebnis voll zufrieden, nur auf „Gallery“ hätte man vielleicht verzichten können. Im Kontext einer 15-Punkte-Skale würde ich es vielleicht mit 13 Punkten bewerten wollen. Also, wer etwas leichteren Prog-Rock hören möchte, oder sich mit Eloy näher beschäftigen möchte, der kann die „Colours“ ruhig kaufen. Eloy-Fans sollten dieses Album ohnehin besitzen.

Quellen:

  • Booklet zum Album
  • Discogs.com
  • Eloy - Legacy

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