Der aufstrebende Stern am
Deutsch-Pop-Rock-Himmel – jetzt Live zu hören
AnnenMayKantereit sind derzeit so
etwas wie der aufstrebende Stern am Deutsch-Pop-Rock-Himmel. Drei junge Männer,
alle aus Köln, machen seit 2014 Musik und wurden damit immer populärer. Ihr
aktuelles Album „Alles nix konkretes“ (18. März 2016) kann sich immer noch in
den deutschen Albumcharts behaupten, und auch live ist die Band gefragt wie
lange nicht mehr. Das ein Livealbum irgendwann folgen sollte, war abzusehen und
ist eine Konsequenz aus dem bahnbrechenden Erfolg. Henning May, der Sänger und
Pianist der Band ist mit seiner Reibeisenstimme, die an Rio Reiser erinnert,
das Erkennungsmerkmal schlechthin. Im Frühjahr 2016 gingen die Jungs auf Tour.
Die Band spielte am 19. August in der Zitadelle in Spandau
dann das bisher größte Konzert ihrer Bandgeschichte. Mit dabei
natürlich waren viele Freunde, sodass man sich entschlossen hat, das Konzert
aufzuzeichnen. Ende Oktober wurde das Berlin Konzert dann in einer
Doppel-Vinyl-Edition veröffentlicht. Mit dabei ist natürlich auch eine CD!
Ich habe mir mein Exemplar nicht
im Amazon-Shop, sondern im AnnenMayKantereit-Shop/Krasser-Stoff besorgt. Die
Erlöse gehen übrigens an die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl! Wie gewöhnt,
enthält das Album keine weiteren Gimmicks, sondern besinnt sich auf das
Wesentliche – schlichte Eleganz eben. Beide LPs haben ein Gewicht von je 140 g.
Optisch machen die Vinyls einen guten Eindruck, die Pressqualität geht ebenso
in Ordnung.
Kommen wir jetzt nun zum
eigentlichen Anliegen – der Musik. Die Track-Liste sieht folgendermaßen aus (Angaben
hier für die Vinylschallplatten, wobei A, B und C, D jeweils eine LP
darstellen):
A1 Wohin Du Gehst
A2 Es Geht Mir Gut
A3 What He Wanted The Most
A4 Jeden Morgen
A5 Mir Wär' Lieber, Du Weinst
B1 Neues Zimmer
B2 James
B3 3.Stock
B4 Bitte Bleib
C1 Du Bist Überall
C2 Nicht Nichts
C3 Das Krokodil
C4 Come Together
C5 Oft Gefragt
D1 Barfuß Am Klavier
D2 Länger Bleiben
D3 Pocahontas
D4 Hurra Die Welt Geht Unter (Featuring – K.I.Z.)
D4 21,22,23
Die Setlist des Konzertes ist
sehr ausgewogen, man bekommt mit dem Album viele bekannte Songs, darunter auch
„Hurra die Welt geht Unter“ vom gleichnamigen K.I.Z.-Album oder „Come Together“
von den Beatles.
Die Band beginnt das Konzert mit
dem Song „Wohin Du Gehst“ – eine gute Wahl, denn es wirkt als perfekter
Einstieg. Mir gefällt ja der Text sehr, der voll von Schmerz und bittersüßer
Ironie strotzt. Selbiges könnte man sicher auch über den nachfolgenden Song „Es
Geht Mir Gut“ schreiben. Dieses Lied ist angenehm rockig und war sehr lange
mein favorisierter AMK-Song. Man achte nur mal auf die tolle Bass-Spur, die
lockeren Gitarrenriffs und das kurze Gitarrensolo, welches dann quasi noch das „i-Tüpfelchen“
des ganzen ist. Yeah Baby! Diese zwei Lieder sind ein toller Einstieg, und
zeigen eindrucksvoll, dass AMK live viel besser wirken im Studio.
Als nächstes wird der erste „Freund“
begrüßt – es ist Ferdinand Schwarz an der Trompete, mit welchem der erste
englische Song „What He Wanted the Most“ gespielt wird. Die Band spielt einen
Song auf Englisch, der dazu noch einer ihrer besten ist! Hennings Stimme kommt
hier richtig gut zur Geltung. Mit „Jeden Morgen“ folgt die erste Ballade. Auch wenn manche den Text als vielleicht zu
platt („…Ich würd‘ viel lieber von Dir träumen…“) empfinden, lädt das Lied doch
zum Träumen und Verweilen ein. „Mir wär' lieber, du Weinst“ geht in die gleiche
Richtung wie auch „Wohin Du Gehst“, ist bloß nicht so rockig. Das nachfolgende
„Neues Zimmer“ lebt stark von der Atmosphäre, vom Songtext. Anfangs mochte ich
den Song nicht so sehr, inzwischen ist er aber ganz angenehm und klingt auch
live gut. Weiter geht’s mit einem weiteren Lied auf Englisch. „James“ ist ein
traditioneller, von AnnenMayKantereit interpretierter Song. Auch hier zeigt sich,
dass Hennings markante Stimme auch sehr gut bei englischsprachigen Songs
überzeugen kann. Überhaupt hat der Typ eine richtig tolle Stimme!
Der nächste Song „3. Stock“ geht
dann wieder in eine ganz andere Richtung. Auf einmal wird es romantisch-melancholisch,
gar schwermütig bis depressiv. Auf dem Album „Alles nix konkretes“ war dieses
Liedchen immer mein heimlicher Favorit. Es ist irgendwie so etwas wie eine
Herzschmerz-Ballade – aber keineswegs eine flache, sondern zutiefst
aufrichtige! Als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe, bekam ich sofort eine
Gänsehaut und feuchte Augen. Dieser Song geht dermaßen unter die Haut – er
strotzt nur voller Sehnsucht und Melancholie. Solche Musik ist einfach Balsam
für die Seele. Meine Befürchtung war aber, wie er wohl live klingen mag und ob
der Song live auch wirkt. „3. Stock“ war für mich eher immer ein Song für die
Kammer, wo er mit einem guten Rotwein gehört wird. Das Publikum hält sich
gottseidank dezent zurück, aber trotzdem ich bin der Meinung, dass man dieses
zerbrechliche Lied lieber nicht live spielen sollte. Die Band bringt diese
wunderbare Ballade nichtsdestotrotz hervorragend rüber.
Das nachfolgende „Bitte bleib“ ist
dann wieder was ganz anderes. Es ist sowas wie ein Anti-Liebeslied, das von
dieser herrlichen bittersüßen Ironie und von Schmerz geprägt ist. Sänger
Henning hat in seinen Texten garantiert vieles autobiographisch behandelt. Auch
hier wird die Band von Ferdinand Schwarz an der Trompete begleitet.
Das Smartphone auf dem Konzert –
wir kennen das Problem, wen die Mehrheit nur noch mit ihren Handys beschäftigt
ist, um Fotos oder Aufnahmen zu machen. Mit dem Song „Du bist überall“
kritisieren AnnenMayKantereit eben jenes Problem auf ihrer eigenen Art und
Weise. Mit „Nicht nichts“ präsentiert die Band wider ihrer typische „tanzbare
Melancholie“, bevor der Tour-Song „Das Krokodil“ gespielt wird. Live kommt der
Song viel besser rüber, als auf dem Album. Anfangs fand ich das Lied etwas
nervig, dann wurde es aber doch zum Ohrwurm. Es folgt der Beatles-Klassiker
„Come together“. Die Band hat ja des Öfteren angemerkt, dass sie das Lied
mögen. Auf YouTube gibt es auch ein Cover-Video zu sehen. Die Band
interpretiert den Song verdammt gut!
Richtig Gänsehaut hab ich dann
natürlich wieder bei „Oft gefragt“ bekommen. Es ist auch schön zu hören, wie
das Publikum mitsingt, ehrliche und handgemachte Musik ist einfach toll. Ich
kann das Lied gar nicht oft genug hören – Hennings Stimme und sein Klavierspiel
würden mir vollkommen ausreichen. Als nächstes kommt dann mein persönliches
Highlight - das berühmt berüchtigte „Barfuß am Klavier“. Dies ist eines der
besten auf Deutsch gesungen Liebeslieder die ich in letzter Zeit kennen lernen
durfte, weswegen es vom Publikum natürlich auch gefeiert wird. Der Text ist
geradezu sehnsüchtig und herzerweichend („… Ich träum dabei von Dir…“). Hinzu
kommt noch der schöne, wohlige Klang des Klaviers und fertig ist der Ohrwurm
des Jahres 2016! Ich konnte den Song eine Zeit lang gar nicht oft genug hören. Weiter
geht es mit „Länger bleiben“, mit leicht verändertem Text und in einer
insgesamt rockigeren Version als auf dem Album. Mit „Pocahontas“ folgt quasi
schon ein Klassiker, der ebenfalls ordentlich rockt und Spaß macht.
Die nächsten Gäste sind K.I.Z.
die zusammen mit AnnenMayKantereit den Titelsong ihres aktuellen Albums „Hurra
die Welt geht Unter“. Auch wenn ich kein sonderlicher Freund von Hip-Hop bin, finde
ich an dem Song mit seinem postapokalyptischen Text durchaus Gefallen. Den Abschluss
des Livealbums macht dann „21, 22 ,23“, welches mit seinem schmunzelnden Text
zu gefallen weiß, ehe das Konzert an dieser Stelle zu Ende ist.
Das war es also, das erstes
Livealbum von AnnenMayKantereit und gelichzeitig das bisher größte Konzert ihrer
Bandgeschichte. Live sind AnnenMayKantereit eine Wucht. Auf der Bühne lassen
May und seine Kollegen Christopher Annen, Severin Kantereit und Bassist Malte
Huck die Sau raus – und das klingt verdammt gut! Im Gegensatz zum Studioalbum,
welches meiner Ansicht nach viel zu vorsichtig produziert wurde (siehe meine
Rezension dazu), können die Musiker auf ihrem Livealbum die Energie und Dynamik
einfangen, die sie einfach so erfolgreich machen. Die ganze Atmosphäre ist
einfach herrlich, was natürlich dem Publikum zu verdanken ist. „Live in Berlin“
ist ein schönes Livealbum, welches die Lust- und Leidenschaft der Band, live zu
performen, ausgezeichnet wiedergibt. Von mir gibt es daher 5 von 5 Sternen. Gut
gemacht, Jungs!
Kleine Anmerkung noch von mir: Wenn
ihr PRO ASYL unterstützen wollt, kauft das Album im Online-Shop von
AnnenMayKantereit. Ich bin mir nicht sicher, ob die Erlöse der Amazon-Einkäufe
auch an die Menschenrechtsorganisation gehen.
(Wenn ihr Fragen, Anmerkungen
oder Kritik bezüglich meiner Rezension habt, dürft ihr dies gerne in den
Kommentaren kundtun.)
(Eigene Fotos)
Weitere Rezension zu AnnenMayKantereit:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen